Weggespült
Vor einigen Tagen schrieb ich über Kindheitserinnerungen
auf [m]einem Hochwasser-Hof. Realitäten. 40 Jahre zurück.
"Glück gehabt!“ – denke ich mir heute!
Nach dem verheerenden Ausmaß, das die Wassermassen von Donau und Elbe gegenwärtig anrichten oder hinterlassen haben.
"Wie nach dem Krieg“ – erzählen mir am Telefon die alten Herrschaften von zuhause, aus der Waldheimat:
"Zustände wie nach dem Krieg."
Viele Menschen stünden vor dem Nichts.
Das ganze Leben versunken in den Fluten einer Nacht oder eines Tages. Die Wassermassen, die Schlamm und Geröll mitführten, begruben ganze Häuser unter sich.
"Alles weg!“
Nicht nur die Möbel, ganze Existenzen. Auch Erinnerungen. An schöne Zeiten wie diese: Hochzeit, Geburt, Kindergeburtstage, Richtfest, Einzug, Grillen im Garten, Erster Schultag, Abi-Ball.
Nun: Ein ganzes Leben weggespült!
Nichts ist geblieben.
Manche hätten nur eine halbe Stunde Zeit gehabt, um sich selbst zu retten.
Am schlimmsten hat es in meiner Heimat den Stadtteil Fischerdorf in Deggendorf getroffen.
"2500 Häuser stehen dort“, erzählt man sich in meinem Waldlerort, der je nachdem wie man fährt, vierzig bis fünfzig Minuten Autofahrt über die Landstraßen entfernt ist. Selbst am Tag acht nach der Katastrophe bangen die Menschen noch; sie wissen meist noch nicht, was sie erwartet. Erst wenige konnten zurück, denn alle Häuser müssen vorher einzeln begutachtet werden: Statik und Elektrik. Manche Häuser können selbst die Gutachter nicht betreten: Lebensgefahr.
"Wenn Holzpellets im Keller aufgeschwemmt sind und das Haus zu bersten droht“ – erklären mir das die Einheimischen, die auf der anderen Seite der Konferenzschaltung, am Raumtelefon, zusammen hocken.
Gestern Abend im Fernsehen:
Eine Reportage über Betroffene. Dabei auch ein Paar mit den Eltern aus Fischerdorf und ein Unternehmer.
„Ich habe zwei Tage nur geheult“, erzählt die Mutter, „wie soll es jetzt weiter gehen?“
Der 59-jährige Unternehmer steht verzweifelt im Wohnzimmer seines Hauses, das immer noch vierzig Zentimeter unter Wasser steht. Auf die Frage der jungen Journalistin, wie es weiter geht, zuckt er mit den Achseln, sie fragt vorsichtig:
"Kriegen Sie keine Rente?“
"405 Euro!“, antwortet er, „das hier, mein Haus, die Hallen. Das war meine Rente. Mein Unternehmen, die Maschinen, meine Hallen – für die ich schon einen Käufer gehabt hätte… alles unter Wasser. Alles kaputt!“
Auf ihre Frage, ob er das nicht wieder aufbauen könne, wenn die staatlichen Hilfen kämen?
"Mit fast 60? Da fehlt die Lebenskraft. Die steckt überall hier drinnen!“
Auf eine halbe Milliarde Euro beziffert allein der Landkreis Deggendorf das Ausmaß der Schäden.
Viele hoffen auf eine großzügige Entschädigung durch die Staatsregierung.
Gerade in Fischerdorf [siehe Karte].
Kaum jemand ist dort versichert. Wegen der Lage des Dorfs in einem Deichgebiet der Donau konnte kaum einer der Bewohner eine Versicherung abschließen. Die Versicherer weigern sich bestimmte Donau-Gebiete zu versichern, weil ihnen das Risiko zu groß ist.
Derweil diskutieren Politiker erste Maßnahmen zum Schutz vor künftigen Hochwasserschäden dieses Ausmaßes: Zwangsversicherungen, Enteignungen für Polderflächen, Schutz von Hab und Gut vor Naturschutzbelange.
Einen Soforthilfefonds von 200 Millionen Euro stellte die bayerische Staatsregierung in Aussicht. Das heißt, sie wird die Rückzahlungen aus dem Länderfinanzausgleich in Höhe von 200 Millionen Euro als Rücklage für die Flutopfer verwenden. [siehe Regierungserklärung vom 12. Juni]
Einmalig!
Die Welle der konkreten Hilfsbereitschaft vor Ort.
Leider auch heimische Gaffer und Hochwassertouristen, die die Arbeit der Helfer behindern.
Und – unfassbar: Kriminelle Plünderer, die aus der Not und dem Leid anderer noch Nutzen und Kapital zu schlagen suchen.
Ein Freund vom Waldlervater ist bei der Wasserwacht. Der sei grad rund um die Uhr im Einsatz, erzählt er mir noch. Zwischen Deggendorf und Straubing. Der ist erschüttert über die Riesenfläche, die die Donau bei Deggendorf geflutet hat. Die Existenzen, die bis knapp unterm Dach weggespült sind.
Auch die vielen Kadaver toter Tiere.
Immer wieder Teppiche von ausgelaufenem Heizöl, aufgeschwemmte Tanks.
"Fünfzehn Mal Glück gehabt!“ – sagt der Waldlervater noch leise am Telefon, bevor wir den Hörer auflegen.
Das folgende Video zeigt das Ausmaß...
Anschließend fahre ich den Computer hoch und suche nach einem Spendenkonto für Deggendorf.
Auf der Website der Stadtverwaltung werde ich fündig:
704.019 Euro sind mit Stand vom 13.06.2013, 13 Uhr, auf dem Spendenkonto der Stadt eingegangen.
Kennwort: Hochwasserhilfe Deggendorf
Empfänger: Stadt Deggendorf
Konto: 380 000 539
BLZ: 741 500 00 (Sparkasse Deggendorf)
Auch der Landkreis hat ein Spendenkonto eingerichtet; leider gibt es dort keine Information über die Höhe der bisher eingegangenen Spenden.
Kennwort: Hochwasserhilfe
Empfänger: Landkreis Deggendorf
Konto: 380 000 760
BLZ: 741 500 00 (Sparkasse Deggendorf)
Ich beschließe,
auf das Landkreiskonto eine kleine Spende für die Hochwassergeschädigten zu überweisen.
Zuguterletzt noch eine bewegende Evakuierung von 20 Kühen aus einem Stall durch das Gut Aiderbichl in Deggendorf - gerade noch rechtzeitig, bevor der Damm brach...
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auf [m]einem Hochwasser-Hof. Realitäten. 40 Jahre zurück.
"Glück gehabt!“ – denke ich mir heute!
Nach dem verheerenden Ausmaß, das die Wassermassen von Donau und Elbe gegenwärtig anrichten oder hinterlassen haben.
"Wie nach dem Krieg“ – erzählen mir am Telefon die alten Herrschaften von zuhause, aus der Waldheimat:
"Zustände wie nach dem Krieg."
Viele Menschen stünden vor dem Nichts.
Das ganze Leben versunken in den Fluten einer Nacht oder eines Tages. Die Wassermassen, die Schlamm und Geröll mitführten, begruben ganze Häuser unter sich.
"Alles weg!“
Nicht nur die Möbel, ganze Existenzen. Auch Erinnerungen. An schöne Zeiten wie diese: Hochzeit, Geburt, Kindergeburtstage, Richtfest, Einzug, Grillen im Garten, Erster Schultag, Abi-Ball.
Nun: Ein ganzes Leben weggespült!
Nichts ist geblieben.
Manche hätten nur eine halbe Stunde Zeit gehabt, um sich selbst zu retten.
Am schlimmsten hat es in meiner Heimat den Stadtteil Fischerdorf in Deggendorf getroffen.
"2500 Häuser stehen dort“, erzählt man sich in meinem Waldlerort, der je nachdem wie man fährt, vierzig bis fünfzig Minuten Autofahrt über die Landstraßen entfernt ist. Selbst am Tag acht nach der Katastrophe bangen die Menschen noch; sie wissen meist noch nicht, was sie erwartet. Erst wenige konnten zurück, denn alle Häuser müssen vorher einzeln begutachtet werden: Statik und Elektrik. Manche Häuser können selbst die Gutachter nicht betreten: Lebensgefahr.
"Wenn Holzpellets im Keller aufgeschwemmt sind und das Haus zu bersten droht“ – erklären mir das die Einheimischen, die auf der anderen Seite der Konferenzschaltung, am Raumtelefon, zusammen hocken.
Gestern Abend im Fernsehen:
Eine Reportage über Betroffene. Dabei auch ein Paar mit den Eltern aus Fischerdorf und ein Unternehmer.
„Ich habe zwei Tage nur geheult“, erzählt die Mutter, „wie soll es jetzt weiter gehen?“
Der 59-jährige Unternehmer steht verzweifelt im Wohnzimmer seines Hauses, das immer noch vierzig Zentimeter unter Wasser steht. Auf die Frage der jungen Journalistin, wie es weiter geht, zuckt er mit den Achseln, sie fragt vorsichtig:
"Kriegen Sie keine Rente?“
"405 Euro!“, antwortet er, „das hier, mein Haus, die Hallen. Das war meine Rente. Mein Unternehmen, die Maschinen, meine Hallen – für die ich schon einen Käufer gehabt hätte… alles unter Wasser. Alles kaputt!“
Auf ihre Frage, ob er das nicht wieder aufbauen könne, wenn die staatlichen Hilfen kämen?
"Mit fast 60? Da fehlt die Lebenskraft. Die steckt überall hier drinnen!“
Auf eine halbe Milliarde Euro beziffert allein der Landkreis Deggendorf das Ausmaß der Schäden.
Viele hoffen auf eine großzügige Entschädigung durch die Staatsregierung.
Gerade in Fischerdorf [siehe Karte].
Kaum jemand ist dort versichert. Wegen der Lage des Dorfs in einem Deichgebiet der Donau konnte kaum einer der Bewohner eine Versicherung abschließen. Die Versicherer weigern sich bestimmte Donau-Gebiete zu versichern, weil ihnen das Risiko zu groß ist.
Derweil diskutieren Politiker erste Maßnahmen zum Schutz vor künftigen Hochwasserschäden dieses Ausmaßes: Zwangsversicherungen, Enteignungen für Polderflächen, Schutz von Hab und Gut vor Naturschutzbelange.
Einen Soforthilfefonds von 200 Millionen Euro stellte die bayerische Staatsregierung in Aussicht. Das heißt, sie wird die Rückzahlungen aus dem Länderfinanzausgleich in Höhe von 200 Millionen Euro als Rücklage für die Flutopfer verwenden. [siehe Regierungserklärung vom 12. Juni]
Einmalig!
Die Welle der konkreten Hilfsbereitschaft vor Ort.
Leider auch heimische Gaffer und Hochwassertouristen, die die Arbeit der Helfer behindern.
Und – unfassbar: Kriminelle Plünderer, die aus der Not und dem Leid anderer noch Nutzen und Kapital zu schlagen suchen.
Ein Freund vom Waldlervater ist bei der Wasserwacht. Der sei grad rund um die Uhr im Einsatz, erzählt er mir noch. Zwischen Deggendorf und Straubing. Der ist erschüttert über die Riesenfläche, die die Donau bei Deggendorf geflutet hat. Die Existenzen, die bis knapp unterm Dach weggespült sind.
Auch die vielen Kadaver toter Tiere.
Immer wieder Teppiche von ausgelaufenem Heizöl, aufgeschwemmte Tanks.
"Fünfzehn Mal Glück gehabt!“ – sagt der Waldlervater noch leise am Telefon, bevor wir den Hörer auflegen.
Das folgende Video zeigt das Ausmaß...
Anschließend fahre ich den Computer hoch und suche nach einem Spendenkonto für Deggendorf.
Auf der Website der Stadtverwaltung werde ich fündig:
704.019 Euro sind mit Stand vom 13.06.2013, 13 Uhr, auf dem Spendenkonto der Stadt eingegangen.
Kennwort: Hochwasserhilfe Deggendorf
Empfänger: Stadt Deggendorf
Konto: 380 000 539
BLZ: 741 500 00 (Sparkasse Deggendorf)
Auch der Landkreis hat ein Spendenkonto eingerichtet; leider gibt es dort keine Information über die Höhe der bisher eingegangenen Spenden.
Kennwort: Hochwasserhilfe
Empfänger: Landkreis Deggendorf
Konto: 380 000 760
BLZ: 741 500 00 (Sparkasse Deggendorf)
Ich beschließe,
auf das Landkreiskonto eine kleine Spende für die Hochwassergeschädigten zu überweisen.
Zuguterletzt noch eine bewegende Evakuierung von 20 Kühen aus einem Stall durch das Gut Aiderbichl in Deggendorf - gerade noch rechtzeitig, bevor der Damm brach...
Teresa HzW - 13. Jun, 15:34 - Rubrik Andern[w]Orts