Abschieds-Erinnerung
Es gibt Menschen, da glaubt man, die seien unsterblich.
Unsterblich, weil man sich nicht vorstellen kann, dass sie eines Tages der Herrgott zu sich rufen wird. Da sie ganz besondere Menschen sind. Die selbst eine beinahe göttliche Aura verströmen.
So ein Mensch war für mich der heute zu Grabe getragene, ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker.
Er verkörperte für mich den Staatsmann schlechthin.
Nicht erst seit seiner historischen Rede, die er am 40. Jahrestag des Kriegsendes 1985 hielt: Zum „Tag der Befreiung“, wie er ihn nannte, den 8. Mai 1945. Eine Rede, die heute viel beachtet, ihm zu damaliger Zeit auch Kritik einbrachte - nur mag das heute keiner mehr erinnern.
Mir war er schon früher aufgefallen, zu einer Zeit als es um die Debatten der [westdeutschen] Ost-Politik ging, als man im Kalten Krieg um die richtige Richtung im Umgang mit dem unmittelbaren Nachbarn [damals der DDR], aber auch um die mit dem großen Nachbarn, den Ländern des Ostblocks und der Sowjetunion, rang.
Da war ich bereits von seiner klugen Argumentation und brillanten Redeführung angetan, wo immer er auftrat oder mir etwas von ihm zu lesen in die Hände fiel. Obwohl es früher viel schwerer war, da dran zu kommen, denn es gab zu der Zeit – da war er gerade Regierender Bürgermeister von Berlin – ja noch kein Internet.
Seine Biografie war die erste große Biografie, die ich in jungen Erwachsenenjahren über einen Menschen las… das war im Jahr 1989, als er ein zweites Mal unser Bundespräsident geworden war.
Damals wusste ich noch nicht, dass ich ihn vier Jahre später einmal aus nächster Nähe begleiten dürfte: am 23. April 1993, dem Eröffnungstag der Internationalen Gartenbauaustellung, der IGA Stuttgart 1993 Expo.
Als Schirmherr dieser grünen Weltausstellung spazierte er mit der IGA-Geschäftsleitung und einer handverlesenen Gruppe in- und ausländischer Journalisten im Rahmen des obligatorischen Rundgangs, der Teil des offiziellen Eröffnungsaktes war, durch das Gartenschau-Gelände.
Schon damals umgab ihn jene geheimnisvolle, charismatische Aura. So dass wir im Journalistenpulk in respektvollem Abstand von gewiss vier, fünf Metern hinter ihm herliefen - über den hölzernen Steg, der sich längs über den Ausstellungsteil der 22 Nationengärten der Welt im oberen Teil des Rosensteinparks spannte.
Ein Erlebnis, das ich gewiss nie vergessen werde!
Keiner von uns aus dem Presse-Tross wagte damals eine Frage zu stellen. Obwohl wir schon eine ganze Weile hinter ihm herliefen. Über Funk [unvorstellbar heute!] stand ich damals im Kontakt mit der Nachrichten – Kollegin, die eine Ticker-Meldung nach meinen Schilderungen versenden sollte.
Ja, Tickermeldung… so hieß das damals noch… und Stuttgart war noch ein richtiger Medienstandort, an dem nicht nur die wichtigsten Nachrichtenredaktionen wie dpa, ap, reuters und afp, sondern auch alle großen deutschen Zeitungshäuser mit eigenen Redaktionsbüros vertreten waren.
Immerhin war ich nicht allein mit diesem Eingenommensein von dieser Persönlichkeit, deren Aura uns alle umhüllte. Selbst ein Korrespondent der Landespolitik, der den Umgang mit solchen VIPs gewohnt war, blieb stumm. Irgendwann – die Kollegin nervte schon das dritte oder vierte Mal, ich solle endlich was fragen… ermunterte uns einer der Geschäftsführer zu einer Frage [je Medium]… der Kollege von der Stuttgarter Zeitung und ich fassten uns schließlich ein Herz, eilten ein paar Schritte nach vorn, als der Tross kurz zum Stehen kam und mir fiel in meiner Aufgeregtheit nichts Besseres ein, als zu fragen:
„Herr Bundespräsident, wie gefällt Ihnen denn diese Gartenschau?“
„Sehr schön, eine sehr gelungene Internationale Gartenbauausstellung“, antwortete er sinngemäß.
Das gab ich dann ganz glücklich der Kollegin durch… und
auch, vor welchen Gärten er stehen geblieben und hinein geblickt hatte.
Ich erinnere - da war zum einen... der Iranische Garten.
Und zum anderen....
...der Chinesische Garten.
Obwohl sein Protokoll etwas anderes vorsah, ließ er sich den Abstecher zum Qing Yin-Garten, den "Garten der schönen Melodie", von seinen Beamten „nicht ganz verbieten“ und versuchte durch das bogenförmige Eingangstor "wenigstens von außen“ einen Blick hinein auf die "Halle der Freundschaft", wie der chinesische Pavillon darin genannt wurde, auf den kleinen See und seinen Wasserfall und die pitoresken Steinfiguren und Formen zu erhaschen.
Währenddessen bekam sein präsidialer Stab fast die Krise, da das Betreten dieses einen Gartens... aber eines anderen nicht... zu damaliger Zeit zu diplomatischen Verwicklungen hätte führen können...
Dieser Chinesische Garten ist übrigens nach Ende der Gartenschau an eine andere exponierte Stelle in luftiger Halbhöhenlage, auf den Stuttgarter Killesberg, vollständig umgebettet worden und immer noch zu besichtigen!
Diese Erinnerung an meine einzige Live-Begegnung mit unserem früheren Staatsoberhaupt stieg heute wieder vor meinem geistigen Auge auf, als ich in meinem Stuttgarter Stadtbüro saß und die Trauerfeier auf dem Bildschirm verfolgte.
Allerdings wurde meine stille Trauer zwischendurch empfindlich von lauter Guggenmusik gestört, die vom Stuttgarter Schlossplatz - genauer aus Richtung des Neuen Schlosses - zu mir empordrang. Ich wunderte mich etwas… und dachte schon, ich hätte mich im Tag geirrt… doch auch andere hörten das… und wir mokierten uns gemeinsam „ob dieser Pietätlosigkeit“.
Zumal das Gelärme [als Musik kann man diesen „Krawall“ auf Trommeln und Rätschen nämlich eigentlich nicht bezeichnen!] über eine halbe Stunde, von kurz nach elf bis Dreiviertel-Zwölfe ging! Also die ganze Trauerfeier im Berliner Dom hindurch!
Die Verwunderung war auch deshalb so groß, da keiner von uns gedacht hätte, dass im sonst „so pietistischen Schwabenland“ einer Guggenmusik-Kapelle in der Nähe des Neuen Schlosses, wo immerhin unser früherer Bundespräsident einst unter dem Dach, in einer Mansardenwohnung, geboren wurde, ein solches Konzert während der Trauerfeier erlaubt sei!?!
Doch wo kein Kläger da keine Polizei…
und so frönten die fröhlichen Guggenmusiker ihrem lärmenden Faschingstreiben und wer weiß…
vielleicht hat von da oben [aus`m Himmi] der Herr Richard herunter geschaut und ein mildes Lächeln ist ihm über das Gesicht gehuscht und er hat zu den anderen Staatsmännern und Politikern, die seiner Himmelfahrt zu Ehren dort oben Spalier gestanden sind, gesagt:
"Das beste Mittel gegen Verdrossenheit ist es, sich selbst zu aktivieren."
Denn ein „jeder sollte seine Chance haben“ -
weil
„Unsere Kultur ist gewachsen wie ein kräftiger und vielgestalteter Mischwald. Er leistet seinen Beitrag zur lebensnotwendigen Frischluft.“
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Unsterblich, weil man sich nicht vorstellen kann, dass sie eines Tages der Herrgott zu sich rufen wird. Da sie ganz besondere Menschen sind. Die selbst eine beinahe göttliche Aura verströmen.
So ein Mensch war für mich der heute zu Grabe getragene, ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker.
Er verkörperte für mich den Staatsmann schlechthin.
Nicht erst seit seiner historischen Rede, die er am 40. Jahrestag des Kriegsendes 1985 hielt: Zum „Tag der Befreiung“, wie er ihn nannte, den 8. Mai 1945. Eine Rede, die heute viel beachtet, ihm zu damaliger Zeit auch Kritik einbrachte - nur mag das heute keiner mehr erinnern.
Mir war er schon früher aufgefallen, zu einer Zeit als es um die Debatten der [westdeutschen] Ost-Politik ging, als man im Kalten Krieg um die richtige Richtung im Umgang mit dem unmittelbaren Nachbarn [damals der DDR], aber auch um die mit dem großen Nachbarn, den Ländern des Ostblocks und der Sowjetunion, rang.
Da war ich bereits von seiner klugen Argumentation und brillanten Redeführung angetan, wo immer er auftrat oder mir etwas von ihm zu lesen in die Hände fiel. Obwohl es früher viel schwerer war, da dran zu kommen, denn es gab zu der Zeit – da war er gerade Regierender Bürgermeister von Berlin – ja noch kein Internet.
Seine Biografie war die erste große Biografie, die ich in jungen Erwachsenenjahren über einen Menschen las… das war im Jahr 1989, als er ein zweites Mal unser Bundespräsident geworden war.
Damals wusste ich noch nicht, dass ich ihn vier Jahre später einmal aus nächster Nähe begleiten dürfte: am 23. April 1993, dem Eröffnungstag der Internationalen Gartenbauaustellung, der IGA Stuttgart 1993 Expo.
Als Schirmherr dieser grünen Weltausstellung spazierte er mit der IGA-Geschäftsleitung und einer handverlesenen Gruppe in- und ausländischer Journalisten im Rahmen des obligatorischen Rundgangs, der Teil des offiziellen Eröffnungsaktes war, durch das Gartenschau-Gelände.
Schon damals umgab ihn jene geheimnisvolle, charismatische Aura. So dass wir im Journalistenpulk in respektvollem Abstand von gewiss vier, fünf Metern hinter ihm herliefen - über den hölzernen Steg, der sich längs über den Ausstellungsteil der 22 Nationengärten der Welt im oberen Teil des Rosensteinparks spannte.
Ein Erlebnis, das ich gewiss nie vergessen werde!
Keiner von uns aus dem Presse-Tross wagte damals eine Frage zu stellen. Obwohl wir schon eine ganze Weile hinter ihm herliefen. Über Funk [unvorstellbar heute!] stand ich damals im Kontakt mit der Nachrichten – Kollegin, die eine Ticker-Meldung nach meinen Schilderungen versenden sollte.
Ja, Tickermeldung… so hieß das damals noch… und Stuttgart war noch ein richtiger Medienstandort, an dem nicht nur die wichtigsten Nachrichtenredaktionen wie dpa, ap, reuters und afp, sondern auch alle großen deutschen Zeitungshäuser mit eigenen Redaktionsbüros vertreten waren.
Immerhin war ich nicht allein mit diesem Eingenommensein von dieser Persönlichkeit, deren Aura uns alle umhüllte. Selbst ein Korrespondent der Landespolitik, der den Umgang mit solchen VIPs gewohnt war, blieb stumm. Irgendwann – die Kollegin nervte schon das dritte oder vierte Mal, ich solle endlich was fragen… ermunterte uns einer der Geschäftsführer zu einer Frage [je Medium]… der Kollege von der Stuttgarter Zeitung und ich fassten uns schließlich ein Herz, eilten ein paar Schritte nach vorn, als der Tross kurz zum Stehen kam und mir fiel in meiner Aufgeregtheit nichts Besseres ein, als zu fragen:
„Herr Bundespräsident, wie gefällt Ihnen denn diese Gartenschau?“
„Sehr schön, eine sehr gelungene Internationale Gartenbauausstellung“, antwortete er sinngemäß.
Das gab ich dann ganz glücklich der Kollegin durch… und
auch, vor welchen Gärten er stehen geblieben und hinein geblickt hatte.
Ich erinnere - da war zum einen... der Iranische Garten.
Und zum anderen....
...der Chinesische Garten.
Obwohl sein Protokoll etwas anderes vorsah, ließ er sich den Abstecher zum Qing Yin-Garten, den "Garten der schönen Melodie", von seinen Beamten „nicht ganz verbieten“ und versuchte durch das bogenförmige Eingangstor "wenigstens von außen“ einen Blick hinein auf die "Halle der Freundschaft", wie der chinesische Pavillon darin genannt wurde, auf den kleinen See und seinen Wasserfall und die pitoresken Steinfiguren und Formen zu erhaschen.
Währenddessen bekam sein präsidialer Stab fast die Krise, da das Betreten dieses einen Gartens... aber eines anderen nicht... zu damaliger Zeit zu diplomatischen Verwicklungen hätte führen können...
Dieser Chinesische Garten ist übrigens nach Ende der Gartenschau an eine andere exponierte Stelle in luftiger Halbhöhenlage, auf den Stuttgarter Killesberg, vollständig umgebettet worden und immer noch zu besichtigen!
Diese Erinnerung an meine einzige Live-Begegnung mit unserem früheren Staatsoberhaupt stieg heute wieder vor meinem geistigen Auge auf, als ich in meinem Stuttgarter Stadtbüro saß und die Trauerfeier auf dem Bildschirm verfolgte.
Allerdings wurde meine stille Trauer zwischendurch empfindlich von lauter Guggenmusik gestört, die vom Stuttgarter Schlossplatz - genauer aus Richtung des Neuen Schlosses - zu mir empordrang. Ich wunderte mich etwas… und dachte schon, ich hätte mich im Tag geirrt… doch auch andere hörten das… und wir mokierten uns gemeinsam „ob dieser Pietätlosigkeit“.
Zumal das Gelärme [als Musik kann man diesen „Krawall“ auf Trommeln und Rätschen nämlich eigentlich nicht bezeichnen!] über eine halbe Stunde, von kurz nach elf bis Dreiviertel-Zwölfe ging! Also die ganze Trauerfeier im Berliner Dom hindurch!
Die Verwunderung war auch deshalb so groß, da keiner von uns gedacht hätte, dass im sonst „so pietistischen Schwabenland“ einer Guggenmusik-Kapelle in der Nähe des Neuen Schlosses, wo immerhin unser früherer Bundespräsident einst unter dem Dach, in einer Mansardenwohnung, geboren wurde, ein solches Konzert während der Trauerfeier erlaubt sei!?!
Doch wo kein Kläger da keine Polizei…
und so frönten die fröhlichen Guggenmusiker ihrem lärmenden Faschingstreiben und wer weiß…
vielleicht hat von da oben [aus`m Himmi] der Herr Richard herunter geschaut und ein mildes Lächeln ist ihm über das Gesicht gehuscht und er hat zu den anderen Staatsmännern und Politikern, die seiner Himmelfahrt zu Ehren dort oben Spalier gestanden sind, gesagt:
"Das beste Mittel gegen Verdrossenheit ist es, sich selbst zu aktivieren."
Denn ein „jeder sollte seine Chance haben“ -
weil
„Unsere Kultur ist gewachsen wie ein kräftiger und vielgestalteter Mischwald. Er leistet seinen Beitrag zur lebensnotwendigen Frischluft.“
Teresa HzW - 11. Feb, 20:33 - Rubrik Paternoster
Einen gscheiten Kommentar zu Herrn von Weizsäcker kann ich nicht abgeben. Ich kenn mich bei euch einfach zuwenig aus.
Ja, der Fendrich - Oafach leiwand ;-)
Diese Guggenmusik dagegen - [ist ja sonst schon schräg] - doch parallel zu einer Trauerfeier... war das einfach unmöglich! Noch dazu [quasi] unterm Geburtsfenster des Verstorbenen!
Unser Gefühl wäre sicher ein anderes gewesen, wenn die zwei Stunden später aufgespielt hätten... So war es einfach respektlos... eine Bekannte hat sich später noch ziemlich darüber aufgeregt, dass in unserer [deutschlandigen] Gesellschaft das Thema "Trauer und Tod" zunehmend zum Tabu verkommt... und der Trauernde [für seine Bedürfnisse] kaum noch Verständnis erfährt... [naja... das ist aber eigentlich ein anderes Thema...]
...und das Leben geht seinen Gang... v_v