Hochwasser Mondschein Sonate
Ich will mal wieder ein Tagwerk versuchen, weil die tatsächlichen Tag[werk]e schleppen sich dahin. Vermutlich regnet es einfach zu viel. Das schlägt aufs Gemüt und auf den Bewegungsapparat. Ironischer Weise habe ich Muskelkater, seitlich vom rechten Schienbein… o.k…. ich stehe auf und schaue nach, Ihnen zuliebe, liebe Leser[innen], damit Sie genau die Stelle kennen:
Es ist der lange Wadenbeinmuskel. Er schmerzt seit vier Tagen. Vom vielen Sitzen und herum lümmeln. Weil man nicht hinaus kann. Weil man zuhause sitzt und liest. Oder Musik hört. Oder schläft. Oder schreibt. Dabei winkele ich immer abwechselnd das eine, dann das andere Bein ab. Offensichtlich zu lange. Denn ich vergesse beim Schreiben alles um mich herum. Da könnte das Haus einstürzen und ich tät`s nicht merken. Selbst dann nicht, wenn mir die Decke auf den Kopf fällt.
Die fällt mir derzeit [Achtung: Wiederholungsschleife!] auf den Kopf [siehe oben!]. Allerdings verschone ich Sie von einer Krokodilslangen Jammertirade. Das führt zu nichts. Jammern ist auch nicht das Meine. Was verändern schon eher. Doch dafür ist die Zeit [noch] nicht reif. Außerdem hängt manche Veränderung nicht an einem selbst. Dafür braucht`s auch andere. Achja… der Regen halt! Der macht einen so lätschig!
Also lümmele ich auf der schönen blauen Wohnzimmercouch, mit dem Laptop auf den Oberschenkeln und abwechselnd abgeknickten Beinen. Dabei lehne ich mich in die hinter meinem Rücken aufgetürmten Kissen zurück und lasse die Arme
Das ist sooo schön bequem.
Da mag man sich gar nicht vorstellen, dass woanders Menschen auf Pritschen in Turnhallen zubringen müssen, weil das Hochwasser sie hinaus gespült hat. Dass die auf kargen Feldbetten hocken und mit Warten zubringen müssen. Warten auf das Ende des Hochwassers! Warten, dass sie zurück in ihre Häuser und in ihre Wohnungen dürfen! Warten und darauf hoffen, dass es schon nicht so schlimm [ge]kommen [sein] mag. Dass es einem nicht so geht wie dem Schreiner aus Kolbermoor [bei Rosenheim – für alle Nicht-Bayern], der nach der Entwarnung mit dem Schlauchboot zurückfuhr und sah, wie seine Teakholzmöbel in den Fluten herum schwammen.
Oder die anderen in Passau, die Einzelhändler und Fachhändler, deren Geschäfte komplett unterspült sind. Glücklich diejenigen, wie jene Boutiquen-Inhaberin, der es gerade noch gelang, ihre Frühjahr-Sommer-Mode in Sicherheit zu bringen, bevor ihr die Donau ins Geschäft schwappte und selbiges unter sich begrub.
Hochwasser ist schlimm!
Wer es noch nie hautnah erlebt hat, kann nicht ermessen, wie eklig es ist: Hinterher all den Schlamm wegputzen, ganz zu schweigen von feuchten Holzdielen, die Monate und länger brauchen, bis sie ausgetrocknet sind. Das setzt dann aber einen trocken-heißen Sommer voraus. Sonst lebt man fortan in einem feuchten Haus.
"Weg vom Wasser wohnen“ – war daher immer meine Devise! Auch wenn ich als Kind gern am Wasser, an einem Zufluss der Donau, gelebt habe. Direkt am Ufer. Also gut, weil es ein paar Leser[innen] wieder ganz genau wissen wollen ;-)
Das Haus lag etwa zehn Meter vom Ufer entfernt, oberhalb des Flusses, der wiederum fünf Meter unterhalb der Böschung, an der Stelle bestimmt auf etwa zwölf Meter oder mehr Breite floss. Bei Hochwasser, und das gab`s zu der Zeit einmal im Jahr, stets nach der hochwaldlerischen Schneeschmelze, trat der Fluss über die Ufer. Meist hinaus auf die gegenüberliegenden Vieh-Wiesen. Allerdings kann ich mich auch an ein paar besonders heftige Jahre erinnern, an denen das Wasser unten im Hausflur stand. Das war irgendwie immer ein bisserl unheimlich.
Warum?
Wir Kinder, die wir da lebten - zu fünft oder waren wir schon sechse, ich weiß es nicht mehr genau - hatten bei all dem Chaos, das dann um uns herum herrschte, stets nur eine Sorge: Dass der Wassermann aus den Fluten heraus und die Stiegen zu uns in den ersten oder zweiten Stock heraufsteigen würde. In Begleitung der schwarzen Aale und der fetten Waller, die es damals zuhauf in unserem Fluss gab.
Daher waren reihum zu einer vollen Stunde von einem anderen Kinde Opfer zu erbringen: Hochwasseropfer!
Wir glaubten, das könne den Wassermann besänftigen. Getreu dem alten St. Florians-Spruch: "Geh weida… Heiliger Wassermann… und "zünd“ andre Häuser an…!“
Als Opfergabe ward gewöhnlich das schönste Lieblings-Lieblings-Spielzeug zu erbringen. In einer feierlichen Zeremonie. Davon bekamen die Erwachsenen freilich nichts mit. Sie waren ja mit dem Hochwassermanagement beschäftigt.
Unter dem lauthalsen Singen von Chorälen, die in dem hohen Treppenhaus besonders klangvoll erschallten, opferten wir: Winnetou- und Old-Shatterhand- Figuren, Plastikpferde, Cowboys und Indianer, Blechautos, Barbypuppen [Kennie gab`s da noch nicht!] und auch das eine oder andere Kuscheltier musste dran glauben.
Zeit hatten wir für die Zeremonie, die von Tag zu Tag einer raffinierteren und ausgeklügelteren Strategie der Verteidigung unserer Unversehrtheit folgte, genug!
Schließlich hatten wir bei solcher Hochwasserlage stets Schulfrei und genossen die Zeit, die wir von der nahen Stadt abgeschnitten waren, weil der Fluss unser Eiland von allen Seiten umspülte.
Nur eins können Sie mir glauben, liebe Leser[innen]:
Wie erstaunt die Erwachsenen immer waren, wenn nach abgelaufener Flut, sich so viele Spielsachen im und ums Haus herum verstreut fanden!
Bei manch einer oder einem tanzte dann zwar der elterliche Watschenbaum, doch wir trugen`s mit Stolz und Fassung: Schließlich waren wir überzeugt, unser Haus vorm Wassermann gerettet zu haben!
Ein Anglerlatein, das sich übrigens in fortgeschrittenem Kindesalter aufklärte ;-)
Insofern, liebe Leser[innen], ist`s doch besser hoch droben am sicheren Berg zu wohnen, auch wenn ich lieber nicht drüber nachdenken mag, was wäre, wenn der Hang ins Rutschen käme….
Teresa HzW - 4. Jun, 15:53 - Rubrik Andern[w]Orts