Musik liegt in der Luft
Dieser Tage… in einem Musikgeschäft der Region, in dem zur nachmittäglichen Kaffeestunde reger Betrieb herrscht…
Ich beuge mich über einen der zahllosen Kästen, in denen sich unzählige, dünne Hefte im DinA4-Format in Zweierreihen stapeln. Die Kästen sind sorgfältig beschriftet nach den musikalischen Genres: Klassik, Jazz, Swing, Blasmusik, Klezmer, Gipsy, Pop, Rock.
Ich stehe zwischen zwei dieser Kästen, die sich in langen Reihen durch das Musikgeschäft ziehen. Zwischen Jazz und Swing blättere ich in einem der Notenhefte, ganz versunken ins Notenbild, meinen inneren Gesprächspartner fragend: Zu schwer? Oder doch zu leicht?
Da spricht mich E[ine]R von der Seite in breitem Schwäbisch an:
„Des spielet mir au“ [Das spielen wir auch!]
Er meint das Stück, das ich gerade aufgeschlagen vor mir liegen habe: „Take Five“. Der Saxophonist Paul Desmond komponierte es im Jahr 1959. Es machte ihn und das Dave-Brubeck-Quartett über Nacht weltberühmt.
"Für Klarinette“, sagt der Unbekannte, mehr feststellend, als fragend, nachdem er einen Schritt näher an mich heran getreten ist, es lesen könnend, weil es am obersten linken Rand, zwischen der Überschrift und der ersten Notenzeile in fetter, kursiv gestellter Schrift steht und er mir quasi über die Schultern ins Blatt blickt.
„Sie spielen Klarinette oder etwa Saxophon?“, fragt er nach.
„Spielen ist zu viel gesagt“, entgegne ich, unschlüssig überlegend, ob ich mich auf ein Gespräch einlassen soll!?
„Wenn Sie das zur Hand nehmen“, sagt er, ohne meine Antwort abzuwarten und deutet auf das Heft, das ich immer noch aufgeschlagen zwischen den Händen halte, „miasset Se scho guad spiala könna.“
Ich klappe das Heft zu, lege es auf den Notenkasten und wende mich dem Unbekannten zu, der etwa meine Größe hat, jedoch gewiss 40 Kilo schwerer ist und seine Leibesfülle unter einem weiten schwarzen Hemd versteckt hält, das er in eine schwarze Jeans gesteckt hat und darüber eine schwarze, halblange Lederjacke trägt, die auch schon bessere Tage gesehen hat und die er an diesem, beinahe sommerwarmen, Tag geöffnet trägt.
„Klarinette“, sage ich nun und lächelnd füge ich hinzu: „Ich habe erst zu spielen angefangen. Spielen Sie auch Klarinette?“
„Nein, Saxophon, und tiefes Blech!“
„Aha“, antworte ich einsilbig und überlege, welches Instrument wohl zum „tiefen Blech“ zählt, vermutlich…
„…Tuba und Posaune“, antwortet er, quasi als ob er meine Gedanken erraten könne und fragt: „nehmen Sie Unterricht?“
Ich erzähle, dass mir gerade der Klarinettenlehrer abhanden gekommen sei… und ich quasi auf der Suche nach einer Musikschule bin.
„Warum treten Sie nicht in einen Musikverein ein?“, fragt er mich, „da bekommen Sie auch Unterricht.“
„Ich dachte, da spielen nur Profis!?“ entgegne ich, ohne mein Erstaunen zu verbergen.
„Nein, wir... also in meinem Musikverein, da bilden wir auch aus!“, sagt er lachend und „wir haben zwei Klarinettisten, die ausgebildete Lehrer sind und mittwochs und montags unterrichten.“
„Was kostet das?“
„Als Vereinsmitglied zahlen Sie 152 Euro im Quartal und haben Anspruch auf vier Lehrstunden im Monat.“
Demnächst würden sie wieder neu starten.
„In der Gruppe? Oder ist das Einzelunterricht?“, frage ich nach.
„Bei Erwachsenen: Einzelunterricht.“
„Und wie komme ich da ran“, frage ich lachend.
„Indem ich Ihnen eine Telefonnummer gebe“, grinst er… und dann erzählt er mir, dass sie Dienstagabend immer im Stammorchester üben und er bis Ende März zweihundert Lieder auswendig können müsse. Dass er daher jeden Tag zwei Stunden üben würde, ggf. auch erst nachts, weil er tagsüber berufstätig sei… und dass er diesen Musikverein vor zwanzig Jahren mit gegründet hätte…
„Damals waren wir gerade mal acht Mann. Heute sind wir über 60 Leute“, meint er und dass die Vereinsmitglieder aus der gesamten Region kommen. „Woher sind Sie denn?“ – fragt er.
„Ach, ich wohne weit draußen auf einem Dorf, bei Marbach“, sage ich. Das ist meine Standard-Antwort, die ich stets gebe, wenn ich nicht sagen möchte, wo genau ich verortet bin.
„Das macht nichts! Man muss nicht hier in der Stadt wohnen, wenn man bei uns mitmachen möchte. Wir haben noch einen anderen Bayern, der bei uns mitspielt und der kommt sogar von der Alb [he] ra: [b].“
Mir schwant übles!
Ich sehe mich in diesem Blasmusikorchester bereits, im Dirndl oder welchem Kostüm auch immer, Klarinette spielend in der fünften Reihe Mitte rechts mitblasen… -
und antworte: „Jaja… mein Dialekt ist nicht zu überhören.“
„Dr andre Boier isch vo Augschbuarg“, meint er und fragt mich unverblümt: „Ond woher send au Sie?“
„Aus Altbayern“, antworte ich vielsagend, wohl wissend, dass nur wenige wissen, welche bayerischen Regionen dazu zählen.
Da beginnen seine Augen zu leuchten.
Ob er wohl auch das Dirndl sieht? – frage ich mich, während er in seiner Jackentasche herumkramt und weiter erzählt, dass ich auch Prüfungen machen könne… bis zum C3-Schein… - den habe er auch. So wie er es sagt, denke ich mir, das diese Kategorie gewiss etwas Bedeutendes sei und sage, dass sei wohl mit dem Schwarzen Gurt im Karate vergleichbar. Er grinst und nickt und lacht und zückt zuerst einen Kugelschreiber und holt danach aus einer anderen Innentasche seiner Lederjacke einen Notizzettel heraus, schreibt einen Namen drauf und eine Handynummer und dann noch einen Namen, deutet auf den ersten Namen und sagt:
„Den rufet Se an und saget an scheena Gruaß von mir“ und deutet dabei auf den zweiten Namen, der seiner sei, und meint: „Dann klappt des au mit dem Verein und mit dem Kurs!“
Dann gibt er mir die Hand und verabschiedet sich. Und ich stehe da mit dem Zettel in der Hand und blicke auf die Uhr und denke, dass ich schon längst bei meinem Termin sein wollte und verlasse den Laden, ohne auch nur irgendein Notenheft gekauft zu haben!
Abends erzähle ich Alter Egon von diesem Erlebnis, der trocken meint: „Mit Speck fängt man Mäuse!“
Ich grinse und antworte: „Ich bin keine Spielmannszug-Maus…“
Wir lachen zusammen und Alter Egon meint auf den Ringfinger meiner rechten Hand deutend: „Dann sott`st aber Dein` Ehering immer tragen, wenn Du dort eintrittst“
Ob es so weit tatsächlich kommt,
wird sich noch zeigen….
Immerhin tat sich am Wochenende noch eine andere Möglichkeit auf…
ich fand einen anderen Klarinettenlehrer, der mir sogar zuhause Unterricht erteilen würde…
Das wäre für mich Luxus pur! Wenn ich nicht erst durch die halbe Region irgendwohin fahren, sondern in den eigenen vier Wänden Unterricht hätte!
Naja... noch habe ich mich nicht entschieden,
liebe Leser-Kommentator-[inn]en :-))
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Ich beuge mich über einen der zahllosen Kästen, in denen sich unzählige, dünne Hefte im DinA4-Format in Zweierreihen stapeln. Die Kästen sind sorgfältig beschriftet nach den musikalischen Genres: Klassik, Jazz, Swing, Blasmusik, Klezmer, Gipsy, Pop, Rock.
Ich stehe zwischen zwei dieser Kästen, die sich in langen Reihen durch das Musikgeschäft ziehen. Zwischen Jazz und Swing blättere ich in einem der Notenhefte, ganz versunken ins Notenbild, meinen inneren Gesprächspartner fragend: Zu schwer? Oder doch zu leicht?
Da spricht mich E[ine]R von der Seite in breitem Schwäbisch an:
„Des spielet mir au“ [Das spielen wir auch!]
Er meint das Stück, das ich gerade aufgeschlagen vor mir liegen habe: „Take Five“. Der Saxophonist Paul Desmond komponierte es im Jahr 1959. Es machte ihn und das Dave-Brubeck-Quartett über Nacht weltberühmt.
"Für Klarinette“, sagt der Unbekannte, mehr feststellend, als fragend, nachdem er einen Schritt näher an mich heran getreten ist, es lesen könnend, weil es am obersten linken Rand, zwischen der Überschrift und der ersten Notenzeile in fetter, kursiv gestellter Schrift steht und er mir quasi über die Schultern ins Blatt blickt.
„Sie spielen Klarinette oder etwa Saxophon?“, fragt er nach.
„Spielen ist zu viel gesagt“, entgegne ich, unschlüssig überlegend, ob ich mich auf ein Gespräch einlassen soll!?
„Wenn Sie das zur Hand nehmen“, sagt er, ohne meine Antwort abzuwarten und deutet auf das Heft, das ich immer noch aufgeschlagen zwischen den Händen halte, „miasset Se scho guad spiala könna.“
Ich klappe das Heft zu, lege es auf den Notenkasten und wende mich dem Unbekannten zu, der etwa meine Größe hat, jedoch gewiss 40 Kilo schwerer ist und seine Leibesfülle unter einem weiten schwarzen Hemd versteckt hält, das er in eine schwarze Jeans gesteckt hat und darüber eine schwarze, halblange Lederjacke trägt, die auch schon bessere Tage gesehen hat und die er an diesem, beinahe sommerwarmen, Tag geöffnet trägt.
„Klarinette“, sage ich nun und lächelnd füge ich hinzu: „Ich habe erst zu spielen angefangen. Spielen Sie auch Klarinette?“
„Nein, Saxophon, und tiefes Blech!“
„Aha“, antworte ich einsilbig und überlege, welches Instrument wohl zum „tiefen Blech“ zählt, vermutlich…
„…Tuba und Posaune“, antwortet er, quasi als ob er meine Gedanken erraten könne und fragt: „nehmen Sie Unterricht?“
Ich erzähle, dass mir gerade der Klarinettenlehrer abhanden gekommen sei… und ich quasi auf der Suche nach einer Musikschule bin.
„Warum treten Sie nicht in einen Musikverein ein?“, fragt er mich, „da bekommen Sie auch Unterricht.“
„Ich dachte, da spielen nur Profis!?“ entgegne ich, ohne mein Erstaunen zu verbergen.
„Nein, wir... also in meinem Musikverein, da bilden wir auch aus!“, sagt er lachend und „wir haben zwei Klarinettisten, die ausgebildete Lehrer sind und mittwochs und montags unterrichten.“
„Was kostet das?“
„Als Vereinsmitglied zahlen Sie 152 Euro im Quartal und haben Anspruch auf vier Lehrstunden im Monat.“
Demnächst würden sie wieder neu starten.
„In der Gruppe? Oder ist das Einzelunterricht?“, frage ich nach.
„Bei Erwachsenen: Einzelunterricht.“
„Und wie komme ich da ran“, frage ich lachend.
„Indem ich Ihnen eine Telefonnummer gebe“, grinst er… und dann erzählt er mir, dass sie Dienstagabend immer im Stammorchester üben und er bis Ende März zweihundert Lieder auswendig können müsse. Dass er daher jeden Tag zwei Stunden üben würde, ggf. auch erst nachts, weil er tagsüber berufstätig sei… und dass er diesen Musikverein vor zwanzig Jahren mit gegründet hätte…
„Damals waren wir gerade mal acht Mann. Heute sind wir über 60 Leute“, meint er und dass die Vereinsmitglieder aus der gesamten Region kommen. „Woher sind Sie denn?“ – fragt er.
„Ach, ich wohne weit draußen auf einem Dorf, bei Marbach“, sage ich. Das ist meine Standard-Antwort, die ich stets gebe, wenn ich nicht sagen möchte, wo genau ich verortet bin.
„Das macht nichts! Man muss nicht hier in der Stadt wohnen, wenn man bei uns mitmachen möchte. Wir haben noch einen anderen Bayern, der bei uns mitspielt und der kommt sogar von der Alb [he] ra: [b].“
Mir schwant übles!
Ich sehe mich in diesem Blasmusikorchester bereits, im Dirndl oder welchem Kostüm auch immer, Klarinette spielend in der fünften Reihe Mitte rechts mitblasen… -
und antworte: „Jaja… mein Dialekt ist nicht zu überhören.“
„Dr andre Boier isch vo Augschbuarg“, meint er und fragt mich unverblümt: „Ond woher send au Sie?“
„Aus Altbayern“, antworte ich vielsagend, wohl wissend, dass nur wenige wissen, welche bayerischen Regionen dazu zählen.
Da beginnen seine Augen zu leuchten.
Ob er wohl auch das Dirndl sieht? – frage ich mich, während er in seiner Jackentasche herumkramt und weiter erzählt, dass ich auch Prüfungen machen könne… bis zum C3-Schein… - den habe er auch. So wie er es sagt, denke ich mir, das diese Kategorie gewiss etwas Bedeutendes sei und sage, dass sei wohl mit dem Schwarzen Gurt im Karate vergleichbar. Er grinst und nickt und lacht und zückt zuerst einen Kugelschreiber und holt danach aus einer anderen Innentasche seiner Lederjacke einen Notizzettel heraus, schreibt einen Namen drauf und eine Handynummer und dann noch einen Namen, deutet auf den ersten Namen und sagt:
„Den rufet Se an und saget an scheena Gruaß von mir“ und deutet dabei auf den zweiten Namen, der seiner sei, und meint: „Dann klappt des au mit dem Verein und mit dem Kurs!“
Dann gibt er mir die Hand und verabschiedet sich. Und ich stehe da mit dem Zettel in der Hand und blicke auf die Uhr und denke, dass ich schon längst bei meinem Termin sein wollte und verlasse den Laden, ohne auch nur irgendein Notenheft gekauft zu haben!
Abends erzähle ich Alter Egon von diesem Erlebnis, der trocken meint: „Mit Speck fängt man Mäuse!“
Ich grinse und antworte: „Ich bin keine Spielmannszug-Maus…“
Wir lachen zusammen und Alter Egon meint auf den Ringfinger meiner rechten Hand deutend: „Dann sott`st aber Dein` Ehering immer tragen, wenn Du dort eintrittst“
Ob es so weit tatsächlich kommt,
wird sich noch zeigen….
Immerhin tat sich am Wochenende noch eine andere Möglichkeit auf…
ich fand einen anderen Klarinettenlehrer, der mir sogar zuhause Unterricht erteilen würde…
Das wäre für mich Luxus pur! Wenn ich nicht erst durch die halbe Region irgendwohin fahren, sondern in den eigenen vier Wänden Unterricht hätte!
Naja... noch habe ich mich nicht entschieden,
liebe Leser-Kommentator-[inn]en :-))
Teresa HzW - 13. Jan, 07:36 - Rubrik Not[at]e
Es kommt also nicht nur auf "Blasmusi" an, sondern unter den Blasmusikkapellen auch auf die Qualität derer. Dann, würde ich sagen, lohnt es sich. Aber Achtung: Dieser Verein erfordert nicht nur viel Spiel- und Übungszeit, sondern auch viel Wirtshauszeit. Solche Widrigkeiten sind vielleicht vorher mit den sich im gemeinsamen Haushalt befindlichen Mitbewohnern abzustimmen;-).
"viel Spiel- und Übungszeit, sondern auch viel Wirtshauszeit" - was dann zur Fahrerei einmal quer durch die Region hinzukäme... da könnt` ich mir auf der anderen Seite der Region gleich ein Ein-Zimmer-Appartement nehmen, fürchte ich ;-) - weil nach einem "Wirtshausbesuch" mit Blasmusikern ist man gewiss nicht mehr so stehfest ;-)) - geschweige denn fahrtüchtig. Und da würden die "im gemeinsamen Haushalt befindlichen Mitbewohner" [was für ein netter Ausdruck ;-)] ganz gewiss lauthals Protest einlegen :-))
In der Gruppe spielen ist an sich nett, doch den Beginn würde ich sicher zuerst mit einem Lehrer individuell versuchen wollen.
Egal, wie auch immer, es erscheint mir eine sehr gute Idee, ein Musikinstrument erlernen zu wollen.
Wenn ich nicht mit dem Klavier ausgelastet wäre, würde ich ja gerne Saxophon spielen. Ich habe aber keine Idee, ob ich das könnte. Violine geht definitiv nicht.
Wahrscheinlich bin ich für alles andere als Klavier ungeeignet :(
ernsthaft *weiterschreibend* :)
Ja, zunächst Indivualunterricht...
Allerdings strebe ich schon an, irgendwann in einem kleineren oder größeren Ensemble mit-zuspielen... ob das dann ein Blasmusikverein wird, steht auf einem anderen Blatt ;-)) - doch bis es soweit ist, ist erstmal nur eins angesagt: Üben, Üben, Üben... doch WEM sag ich das, lieber Hans ;-))
Aus langjähriger musikalischer Erfahrung weiß man ja auch welche Instrumentengruppe einem liegt und die sollte man ausbauen ;-) [meine späte Erkenntnis] - wobei nichts dagegen spricht, im "fortgeschritteneren" Alter mit einem völlig neuen Instrument zu beginnen - ein Freund hat vor einem Jahr [da war er 68!] mit dem Klavierspielen begonnen und hat sich auch so ein Clavinova gekauft... er ist total begeistert und erstaunlich, was er darauf bereits an Stücken spielen kann.
Warum also nicht Saxophon!?
Saxophon und Klarinette sind übrigens vom Ansatz des Blasens und Atmens [Stichwort: Stützatmung] ähnlich, daher spielen viele Klarinettist[inn]en auch Saxophon und umgekehrt :-)
mit der Querflöte hat die Klarinette dagegen nicht viel gemeinsam - stellte ich bisher fest