Bücherfreund (Gast) - 8. Dez, 14:41

Der Erzähler ist eine Person >off stage< – also hinter der Bühne; er agiert normalerweise >versteckt<, nicht sichtbar. Üblicherweise weiß man als Leser, der einen neuen Roman aufschlägt und zu lesen beginnt, nicht, >wer< der Erzähler ist. Der normale, literaturwissenschaftlich nicht gebildete, Leser unterstellt automatisch, dass derjenige, der als Autor auf dem Buchumschlag steht, der Erzähler ist.
Erst im Verlauf des Lesens stellt sich heraus, meist unmittelbar auf den ersten Seiten, manchmal erst im Laufe der erzählten Handlung, >wer< sie erzählt. In der Regel, in der klassischen Literatur, ist der Erzähler meist, wie im Film mit einer handelnden Person identisch. Der Erzähler schlüpft in eine Person hinein und erzählt aus ihrer Perspektive.
Ich frage mich, ob sie als Erzählerin, die von Anfang an bekannt ist, weil sie selbst eingangs in ihrem Nachtkantinen-Prolog darauf hinweisen, >wer<, nämlich dass sie, die Autorin, die Erzählerin ist, nicht ohnehin zu einer Art Figur – wenn auch erst im weiteren Prozess des Schreibens - werden, zu einer, sehen Sie mir den Ausdruck nach, mystischen oder kybernetischen Figur ganz im Sinne der Postmoderne.

Teresa HzW - 8. Dez, 14:58

Eine reizvolle Vorstellung, in der Tat, lieber unbekannter Bücherfreund. Eine Rolle, die mir gewiss auf den Leib geschneidert wäre, dank meiner Vorliebe für die [post]moderne Literatur. Ich frage mich nur: Müsste ich mir dann nicht schon im Vorfeld überlegen, wie diese Rolle auszufüllen und zu verkörpern ist? Ich kann mir kaum vorstellen, dass durch wildes / einfaches drauf losschreiben, sich diese Rolle von selbst ergibt.
Außerdem habe ich - diese Art des Vorgehens [siehe oben meine Antwort an Margit] hinter mir ;-)
Bücherfreund (Gast) - 8. Dez, 15:12

Ein wenig verhielte es sich wie in Jasper Fforde`s >Der Fall Jane Eyre<, sie als Erzählerin halten ohnehin die Fäden in der Hand. Sie sind es, die entscheiden, zu welchem Zeitpunkt die unterschiedlichen Personen ihrer Familienerzählung auf die Bühne und damit ins Geschehen eintreten und an welchem Zeit- oder Handlungspunkt sie diese wieder verlassen.
Teresa HzW - 8. Dez, 15:45

Dieses Hinein- und Herausspringen aus einem "fahrenden Handlungszug" in einen anderen, wenn ich das so bezeichnen darf, lieber Bücherfreund, bedeutet für mich – als Erzählerin – einen grundlegenden Paradigmenwechsel, den ich mir noch überlegen muss. Bisher dachte ich immer, der Erzähler sei eine "Gestalt", die – wenn wir beim Vergleich mit einer Theaterbühne bleiben – zu einer Existenz "back stage" verdammt ist. Einer der als Erzähler immer im Hintergrund bleibt – in der Rolle des Chronisten eben.

Andererseits, Ihr Vorschlag hat einen gewissen Charme, lieber Bücherfreund. Warum nicht auch selber als Erzählerin, mit auf die Bühne der Aktion kommen. Auch wenn es mir im Moment noch sehr schleierhaft ist, WAS dann "meine" Rolle ist. Denn in die Gestalt einer der familiengeschichtlichen Personen will ich mich auf keinen Fall hinein begeben!

Gebe ich dann auf der Bühne als "Erzählerin" meinem Publikum, also den Lesern, Anweisungen? Etwa wie nun irgendetwas zu verstehen ist? Was die Person "X" oder "Y" eben sagte oder tat?

Oder leiste ich dann eine Art "Erste Verständnishilfe", indem ich dem Publikum, der Leserschaft, sage, wie ein Ereignis der Geschichte – nach meiner Anschauung als Erzählerin - zu interpretieren ist?
Allerdings: Gerate ich dadurch nicht in eine Art schulmeisternde, das Publikum belehrende Rolle?
Bücherfreund (Gast) - 8. Dez, 15:54

Es kommt darauf an, wie sie das ausfüllen. Ihrem bisherigen Schreibstil nach zu urteilen, können sie das bewältigen. Probieren sie es aus!
Teresa HzW - 8. Dez, 16:12

Hm!?! Sie machen mich ja direkt verlegen ;-)

Dafür fällt mir noch anderes ein, wenn ich darf:
Wie ist das mit der Verweil-d a u e r
auf dieser Geschichts-Bühne der Handlungen? Als Erzählerin dürfte ich doch eigentlich nur kurz verweilen?
Darf ich provozieren? Wobei mir die Rolle der Publikums-Beschimpferin gewiss nicht liegt.
Oder:
Aktiv in die Handlung eingreifen? Das könnte ich ja auch!?
Also nicht das Publikum "belehren", sondern vielleicht meinen Personen Regieanweisungen geben? So wie es ein echter Regisseur im Theater rsp. Film auch macht?
Bücherfreund (Gast) - 8. Dez, 16:19

Warum nicht ein imaginäres Publikum >beschimpfen<? Wenn es erforderlich ist, ist es nicht nur ihr Recht, sondern viel mehr eine Pflicht. Es kommt ganz auf die Begleitumstände an. Warum nicht einen Eklat herbeiführen? In der Fiktion der Postmoderne ist alles erlaubt.
Teresa HzW - 8. Dez, 16:28

Ich sehe schon, unsere "Unterhaltung" leitet mich auf ein ganz neues "Gleis", um in der Metapher eines fahrenden Zuges, in den ich ja bereits vor einiger Zeit eingestiegen bin, zu bleiben. Mal sehen, in welche Richtung es mich führt ;-)

Ich muss nun leider den Dialog beenden, da ich weg muss. Über diese neue Erzähler[innen]-Rolle als eine Art "dritte" Figur werde ich nachdenken...

Ganz herzlichen Dank fürs Gespräch, lieber Bücherfreund! Vielleicht führen wir es ein anderes Mal fort?!
Bücherfreund (Gast) - 8. Dez, 16:39

Wenn ich da bin, jederzeit wieder.

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