6Uhr50
Draußen sausen Felder und Äcker vorbei, gesäumt von viel Gesträuch und Bäumen. Die Landschaft ist beinahe topfeben. Ab und zu ein Wäldchen. Dann wieder wie hingeduckt ein paar Häuser. Kleinere Ortschaften. Dörfer. Die Felder größtenteils abgeerntet. Braune Stoppelfelder neben weißgelben Maisfeldern, dazwischen saftig grüne Wiesen. Immer wieder Photovoltaik-Anlagen.
Es wird nicht mehr lang dauern und dann ragen hier überall die weißen Beton-Spargel in den Himmel. Windkrafträder. Oben an ihrer Spitze leuchtet ein kleines rotes oder grünes Lämpchen und die Rotoren drehen sich langsam.
Es wird noch eine gute Stunde dauern, bis diese Bausünden der grünen Nullerjahre in den Blick rücken: Zuletzt zählte ich fünf, mittlerweile könnten es aber schon sieben, wenn nicht gar neun Windräder sein, die auf meiner früheren Lieblings-Skiwanderstrecke stehen: Nahe bei der gespurten Loipe Westerheim, d.h. früher, also in den 1980er und 1990er Jahren war sie dort und meist auch gespurt.
Ich bezweifle, dass sie heute noch existiert.
Zumindest nicht an derselben Stelle. Gewiss ist sie wegen der Windkraftanlage an eine andere Stelle verlegt worden.
Früher, also in den Zeiten als alles noch anders und [jetzt muss ich ja schreiben] besser war [weil sich das gehört, so daher zu reden, dass früher allaweil alles besser gewesen sei] da genoss ich es sehr, da oben auf der Albhochfläche, nach anstrengendem Albaufstieg – wohl gemerkt auf Tourenski – über Stunden meine Spuren durch den verwehten Schnee zu ziehen. Und dem rauen Älblerwind, der dort stetig blies, die Stirn zu bieten.
Die Gegend - oben auf der Alb – links und rechts von der A8 – zwischen Westerheim auf der einen Seite und Böhmenkirch auf der anderen - erinnerte mich dabei klimatisch immer an meine Waldheimat, wo der Böhmische [Wind] gerade an Wintertagen recht unbarmherzig durch die Waldsenken herein bläst.
Ähnlich wetterwendisch wie dort kann auch auf der Alb das Wetter plötzlich umschlagen.
Einmal zog ich dort mit Jürgen, einem Freund, der einzige aus der Stuttgarter Clique, den es gern zum Skiwandern im Winter auf die Alb trieb, die Spuren im Schnee. Wir waren schon etwas spät dran, es war bereits drei Uhr und der Himmel trübte sich grau ein. Ein Zeichen für einsetzendes Schneetreiben. Doch wir wollten unbedingt noch einen Schlenker um das Wäldchen, dort wo heute die Windräder stehen, herum drehen, bevor wir uns auf den Lauf zurück zum Auto machten.
Wir hatten außen herum ein Drittel des Waldes bereits umrundet, als uns die ersten Nebelschwaden umwehten. Wie aus dem Nichts waberten sie uns nach der nächsten Waldbiegung entgegen, hüllten uns immer stärker ein, je weiter wir dem Waldrand folgten. Wir überlegten, ob wir umkehren sollten. Doch wir hatten ja schon beinahe die Hälfte hinter uns und wer weiß, vielleicht war die andere Seite zwischenzeitlich ebenfalls vom Nebel durchsetzt.
Außerdem meinte Jürgen, dass es von dieser Stelle hier doch kürzer zum Auto sei, da ein Stückchen weiter ein Gemeinde-Verbindungsweg unsere Route quere, dem wir dann nur nach rechts in nordöstlicher Richtung zu folgen hätten und dann kämen wir „nach ein paar Minuten“ direkt zu dem Ort, an dessen Rand wir das Auto parkten.
Gesagt. Getan.
Ich vertraute voll auf Jürgens Ortskenntnisse.
Schließlich war er von hier oben und kannte die Gegend… eigentlich – „wie seine Westentasche“. Jedenfalls behauptete er das immer.
Außerdem hatte er bei unseren Wandertouren stets einen Kompass dabei. Obwohl ich dem weniger vertraute wie seinen Ortskenntnissen, denn immer wenn ich darauf schaute, zeigte die Kompassnadel Nord-Nordost. Manchmal dachte ich, die muss doch kaputt sein.
Damals an jenem Nebelsonntag querte schließlich kein Sträßchen. Zudem setzte auch noch heftiges Schneetreiben ein. Man sah kaum noch die Hand vor Augen. Alles um uns herum weiß. Selbst der Waldrand wurde in dieses weiße Nichts eingetaucht.
Mittlerweile liefen wir dicht hinter einander, beinahe Ski an Ski. Nur, um uns nicht in dieser Nebelsuppe und mitten im Schneetreiben zu verlieren.
Irgendwann hatten wir beide das Gefühl, uns verlaufen zu haben, obwohl wir stoisch dem Waldrand folgten.
Bereits beim einsetzenden Schneetreiben hatte ich mich geweigert, dass wir – „um abzukürzen“ - querfeldein ins weite Schneeflocken umtriebene Feld hinaus laufen:
„Da verirren wir uns garantiert. Trotz Kompass!“ protestierte ich.
Also folgten wir weiter dem Waldrand…
Irgendwann… die Uhr zeigte bereits zehn nach vier…. Kam es uns seltsam vor, dass wir immer noch nicht auf den Ausgangspunkt gestoßen waren…
Konnte es sein, dass dieses ganze Waldstück vom Nebel und Schneetreiben verschluckt worden war?
Fortsetzung folgt
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Es wird nicht mehr lang dauern und dann ragen hier überall die weißen Beton-Spargel in den Himmel. Windkrafträder. Oben an ihrer Spitze leuchtet ein kleines rotes oder grünes Lämpchen und die Rotoren drehen sich langsam.
Es wird noch eine gute Stunde dauern, bis diese Bausünden der grünen Nullerjahre in den Blick rücken: Zuletzt zählte ich fünf, mittlerweile könnten es aber schon sieben, wenn nicht gar neun Windräder sein, die auf meiner früheren Lieblings-Skiwanderstrecke stehen: Nahe bei der gespurten Loipe Westerheim, d.h. früher, also in den 1980er und 1990er Jahren war sie dort und meist auch gespurt.
Ich bezweifle, dass sie heute noch existiert.
Zumindest nicht an derselben Stelle. Gewiss ist sie wegen der Windkraftanlage an eine andere Stelle verlegt worden.
Früher, also in den Zeiten als alles noch anders und [jetzt muss ich ja schreiben] besser war [weil sich das gehört, so daher zu reden, dass früher allaweil alles besser gewesen sei] da genoss ich es sehr, da oben auf der Albhochfläche, nach anstrengendem Albaufstieg – wohl gemerkt auf Tourenski – über Stunden meine Spuren durch den verwehten Schnee zu ziehen. Und dem rauen Älblerwind, der dort stetig blies, die Stirn zu bieten.
Die Gegend - oben auf der Alb – links und rechts von der A8 – zwischen Westerheim auf der einen Seite und Böhmenkirch auf der anderen - erinnerte mich dabei klimatisch immer an meine Waldheimat, wo der Böhmische [Wind] gerade an Wintertagen recht unbarmherzig durch die Waldsenken herein bläst.
Ähnlich wetterwendisch wie dort kann auch auf der Alb das Wetter plötzlich umschlagen.
Einmal zog ich dort mit Jürgen, einem Freund, der einzige aus der Stuttgarter Clique, den es gern zum Skiwandern im Winter auf die Alb trieb, die Spuren im Schnee. Wir waren schon etwas spät dran, es war bereits drei Uhr und der Himmel trübte sich grau ein. Ein Zeichen für einsetzendes Schneetreiben. Doch wir wollten unbedingt noch einen Schlenker um das Wäldchen, dort wo heute die Windräder stehen, herum drehen, bevor wir uns auf den Lauf zurück zum Auto machten.
Wir hatten außen herum ein Drittel des Waldes bereits umrundet, als uns die ersten Nebelschwaden umwehten. Wie aus dem Nichts waberten sie uns nach der nächsten Waldbiegung entgegen, hüllten uns immer stärker ein, je weiter wir dem Waldrand folgten. Wir überlegten, ob wir umkehren sollten. Doch wir hatten ja schon beinahe die Hälfte hinter uns und wer weiß, vielleicht war die andere Seite zwischenzeitlich ebenfalls vom Nebel durchsetzt.
Außerdem meinte Jürgen, dass es von dieser Stelle hier doch kürzer zum Auto sei, da ein Stückchen weiter ein Gemeinde-Verbindungsweg unsere Route quere, dem wir dann nur nach rechts in nordöstlicher Richtung zu folgen hätten und dann kämen wir „nach ein paar Minuten“ direkt zu dem Ort, an dessen Rand wir das Auto parkten.
Gesagt. Getan.
Ich vertraute voll auf Jürgens Ortskenntnisse.
Schließlich war er von hier oben und kannte die Gegend… eigentlich – „wie seine Westentasche“. Jedenfalls behauptete er das immer.
Außerdem hatte er bei unseren Wandertouren stets einen Kompass dabei. Obwohl ich dem weniger vertraute wie seinen Ortskenntnissen, denn immer wenn ich darauf schaute, zeigte die Kompassnadel Nord-Nordost. Manchmal dachte ich, die muss doch kaputt sein.
Damals an jenem Nebelsonntag querte schließlich kein Sträßchen. Zudem setzte auch noch heftiges Schneetreiben ein. Man sah kaum noch die Hand vor Augen. Alles um uns herum weiß. Selbst der Waldrand wurde in dieses weiße Nichts eingetaucht.
Mittlerweile liefen wir dicht hinter einander, beinahe Ski an Ski. Nur, um uns nicht in dieser Nebelsuppe und mitten im Schneetreiben zu verlieren.
Irgendwann hatten wir beide das Gefühl, uns verlaufen zu haben, obwohl wir stoisch dem Waldrand folgten.
Bereits beim einsetzenden Schneetreiben hatte ich mich geweigert, dass wir – „um abzukürzen“ - querfeldein ins weite Schneeflocken umtriebene Feld hinaus laufen:
„Da verirren wir uns garantiert. Trotz Kompass!“ protestierte ich.
Also folgten wir weiter dem Waldrand…
Irgendwann… die Uhr zeigte bereits zehn nach vier…. Kam es uns seltsam vor, dass wir immer noch nicht auf den Ausgangspunkt gestoßen waren…
Konnte es sein, dass dieses ganze Waldstück vom Nebel und Schneetreiben verschluckt worden war?
Fortsetzung folgt
Teresa HzW - 5. Sep, 06:50 - Rubrik [Post]Moderne
Zum Thema: Adalbert Stifter, Bergkristall
(falls noch nicht gelesen, unbedingt nachholen!)
Hach, da geht mir gleich das Herz auf und über, dass Sie, liebe[r] IGING den Stifter mögen :-)
Meine Lieblingserzählung ist "Der Hochwald", in der er unnachahmlich die bayrisch-böhmische Waldheimat beschreibt und natürlich sein Historienroman über den "Witiko"!
Den "Bergkristall" kenne ich unter dem Titel "Der Heilige Abend" als Weihnachtsgeschichte wie auch als weihnachtliches Laien-Schauspiel.