Bachmann Späne am Tag 1
Überall Körperlichkeiten und primäre Geschlechtsmerkmale!
Auf diesen gemeinsamen Nenner ließe sich das, was sich heute in Klagenfurt zugetragen hat, bringen. Eigentlich wollte ich ja, wie in den Vorjahren, jedem geladenen Autor einen eigenen Eintrag widmen, um Text und Darbietung gebührlich zu würdigen.
Doch das spare ich mir.
Zu enttäuschend ist das , was der bisherige Bachmann-Bewerb am ersten Tag bot.
"Ich brauche das Buch“ – hieß der Text, der mir in fünf anstrengenden Stunden des Zuhörens den erhofften Lichtblick bescherte, mich sogar erheiterte, in seinen Bann zog und dadurch den Rest der zähen Lese-Stunden durchstehen ließ. Immer in der Hoffnung, dass er noch komme, der Debütantinnen-Text, der Hoffnung mache…auf… mehr!
Vier Frauen und ein Mann haben an diesem ersten Tag gelesen. Vier haben vor-gelesen.
Einer, Joachim Meyerhof, der einzig männliche Teilnehmer an diesem Donnerstag, trug seinen Text, vom Diebstahl eines Buches, vor. Besser: Er hat gespielt, so wie er wohl sonst auch als Schauspieler seine Rollen spielt: Grandios und toll!
Eigentlich, liebe Leser-Kommentator-innen,
will ich keine negative Kritik schreiben.
Das hatte ich mir -zumindest vor zwei Wochen- verordnet! Doch jetzt nach dem zähen Vorlese-Tag geht’s nicht anders. Ich muss meinem Herzen Luft machen!
Also liebe Literatur-Veranstalter, was ladet Ihr da für Texte ein? Wie tief ist er gesunken dieser Wettbewerb um die beste deutschsprachige Literatur?
Oder sind die Juroren nach jahrelanger Auslese ihrer Rolle überdrüssig, zumindest müde geworden?
Wer allen Ernstes glaubt, dass heute am Wörther See Literatur aus der Taufe gehoben worden ist, die einen Markstein setzt, irrt!
Es waren Wolkenbrüche, die selbst wohlmeinende Leser[innen] und Bücherfreunde auszuhalten hatten. Eine kalte Dusche nach der anderen ging über einen nieder. Erhellt von einem einzigen Sonnenstrahl, von Meyerhof`s "Bücherdieb“.
Sie sehen, liebe Leser-innen-Kommentatorinnen,
ich versuche Personen und Textwerke zu trennen.
Da die Autorinnen und Schriftstellerinnen nicht dafür können, wenn sie von Juroren eingeladen werden, die damit das eine oder das andere dem Publikum vor-führen wollen.
Denn eines ist für mich klar: Der Zuschauer, der sich bei dieser 3SAT-Live-Übertragung überwiegend aus Lese-Interessierten, Bücherfreunden, Leseratten, Bücherfressern, Bildungspersonal und Literaturbetriebsmitarbeiter-inn-en [die eben nicht alle das großverlegerische Budget haben, nach Klagenfurt fahren zu können] speist, bleibt wieder einmal allein im Gewölk, das sich über den Austragungsort legt.
Nebelwolken, die aber aufgrund der Live-Übertragung doch hinaus in den öffentlichen Raum wabern. In diesem Raum bleibt der zuhause auf der Wohnzimmercouch oder im Fernsehsessel Sitzende allein, denn: Er kennt nicht die Hintergründe, die Absichten, vielleicht die Themenbezüge, die Schreibmotive, die eine Jury bei diesem Bewerb aufzeigen will.
Böswillige mögen dies als Intransparenz eines inzüchtigen Literaturbetriebs geißeln, der sich nicht so sehr in die Karten gucken lassen möchte. Gutgläubige [zu denen ich mich zähle] bleiben jedoch hilflos vor der Glotze zurück.
Mit einem Moderator, der sein Bestes versucht, doch weder auf die Themen, die hinter den Texten schlummern noch auf andere Hintergründe zu verweisen mag, weil er eben den Background und die Absichten der Jury oder sollte ich [gehässig] sagen, der wahren Bachmannpreis-Macher, nicht kennt.
Sie werden - zumindest an diesem ersten Bewerber-innen-Tag auch noch nicht offenkundig. Selbst dem Preis erprobten, zusehenden Zuschauer nicht.
Immerhin… nachdem ich seit mehreren Jahren diesen Bewerb verfolge, steht für mich als kritische Beobachterin fest: Die Texte werden nach bestimmten vorher von den Juroren [oder den Bachmannpreis-Machern!?] festgelegten Themen ausgewählt!
Denn es ist zu Augen fällig, dass heute ausschließlich Texte zu verfolgen waren, in denen es um Körperlichkeit ging:
um den Körper und seine Befindlichkeiten,
um die Auswirkungen von Trennungsschmerz, Schwangerschaftsspuren, Scham und Schande oder Initiationsritualen während des Erwachsenwerdens.
In anderen Jahren wiederum standen eher Texte vom oder über den Tod im Mittelpunkt oder Texte, in denen es um Krankheiten ging, ein anderes Mal, das Leben in modernen, globalen Welten.
Dieses Jahr also:.....Körper-lichkeiten!
Als ökonomisch denkender Mensch könnte ich es verstehen, wenn ein betriebswirtschaftlich orientierter Controller, der das heute mit verfolgte, zu dem Schluss käme: Dem Bewerb ist eine Rosskur zu verordnen!
Das hat er dringend nötig!
Zumindest gilt es die Art der Durchführung wie auch der Darbietung zu überdenken! wenn er tatsächlich fortgeführt wird
Es ist gut, wenn junge Autorinnen die Chance erhalten, ihre Texte vortragen zu können, nur will ich mir bitte als Leserin, die froh ist, dass die eigenen Gören endlich aus dem Haus sind und auf eigenen Beinen stehen, nicht „Kinderspielplatz–Gedöns“ vier Stunden lang anhören. Das mag angehen, wenn eine ganz junge Zielgruppe vor dem Fernseher sitzt, nicht aber der Bildungs und Kultur orientierte Bürger, der sich auf anspruchsvolle[re] Literatur freut.
Wäre ich live im Studio gesessen, hätte ich mich wohl von meinem Sitzplatz im fensterlosen Studio erhoben und wäre bei dem Kaiserwetter an den Wörther See zum Eintauchen ins kühle Nass hinaus gefahren, als mich weiter in Texte zu vertiefen, bei denen man nach jeder Zeile auf den Bachmann`schen Satz und den einen erlösenden Vorlese-Text wartet.
Gerade die heutigen Körper bezogenen Texte machen deutlich, dass eine Autorin oder auch ein Autor, je nachdem auf welcher eigenen körperlichen wie auch Lebens erfahrenen Entwicklungsstufe sie/er im eigenen Menschenlebenwerden steht, sehr unterschiedlich darüber schreiben.
Was junge Menschen noch begeistert, wenn etwa in einem Text zwanzig Mal das Wort "Brüste“ auftaucht, ist einem älteren Leser halt neunzehn Mal zu viel. Da fällt es schwer, die zuckende Hand, die den Ausschaltknopf am TV-Gerät drücken möchte, zurück zu halten.
Während der Körper-Ausstellungen an diesem Tag kommt mir bei meinen Notaten immer wieder Charles Bukowski in den Sinn.
Vielleicht.... weil ich als junger Mensch im Alter der heute beschriebenen Protagonist[inn]en seine Romane las!?
Oder weil er in seinen Büchern, zumindest in seinen Romanen, eine sehr Körper bezogene Sprache einsetzt. Doch anders als alle Autorinnen und der eine Autor an diesem Tag zusammen genommen, be-schreibt er die Körperlichkeit nicht, sondern er zeigt sie. Indem er in seinen Texten sehr direkt und hart den Schmutz der Gosse darstellt! Mit ihrer obszönen Sexualität und Worten, wie sie in den amerikanischen Spelunken der 1960er und 1970er oder in den Hinterhofetagenwohnungen von Manhattan`s Hochhäusern gesprochen wird. Außerdem schreibt da einer, der erlebt hat, worüber und wovon er schreibt. Und das merkt man seiner sehr authentischen Sprache an.
Mich beeindruckt als Leserin - damals wie heute - diese Direktheit, wie Bukowski etwa die Alkoholexzesse seiner Hauptprotagonisten aufzeigt, die sich immer wieder auch in brutaler Gewalt entladen: etwa in den Erzählungen seines Postboten aus "Der Mann mit der Ledertasche", wenn der Alkoholiker krakeelend nach der Sauftour heimkommt und die Freundin nicht spurt. Eine Sprache, die in ihrer Eindrücklichkeit ihres gleichen sucht.
Wo Klagen{fur}[d]e{r} Bachmannpreis-Debütanten elf Seiten brauchen, rotzt Bukowski einem einen kurzen Satz aufs Papier, der im Kopf des Lesers ein wahres Feuerwerk entfacht.
Ein solches vermochte heute keiner der Texte bei mir zu entfachen. Daher waren das alles nur gehobelte Späne.
Ein Textbeispiel - Joachim Meyerhof`s "Ich brauche das Buch" - zumindest ist es wert, wenigstens ein Hölzlein bereit zu legen, vielleicht für den Publikumspreis?
Doch warten wir ab, was uns morgen und übermorgen die verbleibenden neun Schriftsteller-innen zu bieten haben.
Hoffentlich nicht noch mehr Körper-lichkeiten!?
1718 mal gelesen
Auf diesen gemeinsamen Nenner ließe sich das, was sich heute in Klagenfurt zugetragen hat, bringen. Eigentlich wollte ich ja, wie in den Vorjahren, jedem geladenen Autor einen eigenen Eintrag widmen, um Text und Darbietung gebührlich zu würdigen.
Doch das spare ich mir.
Zu enttäuschend ist das , was der bisherige Bachmann-Bewerb am ersten Tag bot.
"Ich brauche das Buch“ – hieß der Text, der mir in fünf anstrengenden Stunden des Zuhörens den erhofften Lichtblick bescherte, mich sogar erheiterte, in seinen Bann zog und dadurch den Rest der zähen Lese-Stunden durchstehen ließ. Immer in der Hoffnung, dass er noch komme, der Debütantinnen-Text, der Hoffnung mache…auf… mehr!
Vier Frauen und ein Mann haben an diesem ersten Tag gelesen. Vier haben vor-gelesen.
Einer, Joachim Meyerhof, der einzig männliche Teilnehmer an diesem Donnerstag, trug seinen Text, vom Diebstahl eines Buches, vor. Besser: Er hat gespielt, so wie er wohl sonst auch als Schauspieler seine Rollen spielt: Grandios und toll!
Eigentlich, liebe Leser-Kommentator-innen,
will ich keine negative Kritik schreiben.
Das hatte ich mir -zumindest vor zwei Wochen- verordnet! Doch jetzt nach dem zähen Vorlese-Tag geht’s nicht anders. Ich muss meinem Herzen Luft machen!
Also liebe Literatur-Veranstalter, was ladet Ihr da für Texte ein? Wie tief ist er gesunken dieser Wettbewerb um die beste deutschsprachige Literatur?
Oder sind die Juroren nach jahrelanger Auslese ihrer Rolle überdrüssig, zumindest müde geworden?
Wer allen Ernstes glaubt, dass heute am Wörther See Literatur aus der Taufe gehoben worden ist, die einen Markstein setzt, irrt!
Es waren Wolkenbrüche, die selbst wohlmeinende Leser[innen] und Bücherfreunde auszuhalten hatten. Eine kalte Dusche nach der anderen ging über einen nieder. Erhellt von einem einzigen Sonnenstrahl, von Meyerhof`s "Bücherdieb“.
Sie sehen, liebe Leser-innen-Kommentatorinnen,
ich versuche Personen und Textwerke zu trennen.
Da die Autorinnen und Schriftstellerinnen nicht dafür können, wenn sie von Juroren eingeladen werden, die damit das eine oder das andere dem Publikum vor-führen wollen.
Denn eines ist für mich klar: Der Zuschauer, der sich bei dieser 3SAT-Live-Übertragung überwiegend aus Lese-Interessierten, Bücherfreunden, Leseratten, Bücherfressern, Bildungspersonal und Literaturbetriebsmitarbeiter-inn-en [die eben nicht alle das großverlegerische Budget haben, nach Klagenfurt fahren zu können] speist, bleibt wieder einmal allein im Gewölk, das sich über den Austragungsort legt.
Nebelwolken, die aber aufgrund der Live-Übertragung doch hinaus in den öffentlichen Raum wabern. In diesem Raum bleibt der zuhause auf der Wohnzimmercouch oder im Fernsehsessel Sitzende allein, denn: Er kennt nicht die Hintergründe, die Absichten, vielleicht die Themenbezüge, die Schreibmotive, die eine Jury bei diesem Bewerb aufzeigen will.
Böswillige mögen dies als Intransparenz eines inzüchtigen Literaturbetriebs geißeln, der sich nicht so sehr in die Karten gucken lassen möchte. Gutgläubige [zu denen ich mich zähle] bleiben jedoch hilflos vor der Glotze zurück.
Mit einem Moderator, der sein Bestes versucht, doch weder auf die Themen, die hinter den Texten schlummern noch auf andere Hintergründe zu verweisen mag, weil er eben den Background und die Absichten der Jury oder sollte ich [gehässig] sagen, der wahren Bachmannpreis-Macher, nicht kennt.
Sie werden - zumindest an diesem ersten Bewerber-innen-Tag auch noch nicht offenkundig. Selbst dem Preis erprobten, zusehenden Zuschauer nicht.
Immerhin… nachdem ich seit mehreren Jahren diesen Bewerb verfolge, steht für mich als kritische Beobachterin fest: Die Texte werden nach bestimmten vorher von den Juroren [oder den Bachmannpreis-Machern!?] festgelegten Themen ausgewählt!
Denn es ist zu Augen fällig, dass heute ausschließlich Texte zu verfolgen waren, in denen es um Körperlichkeit ging:
um den Körper und seine Befindlichkeiten,
um die Auswirkungen von Trennungsschmerz, Schwangerschaftsspuren, Scham und Schande oder Initiationsritualen während des Erwachsenwerdens.
In anderen Jahren wiederum standen eher Texte vom oder über den Tod im Mittelpunkt oder Texte, in denen es um Krankheiten ging, ein anderes Mal, das Leben in modernen, globalen Welten.
Dieses Jahr also:.....Körper-lichkeiten!
Als ökonomisch denkender Mensch könnte ich es verstehen, wenn ein betriebswirtschaftlich orientierter Controller, der das heute mit verfolgte, zu dem Schluss käme: Dem Bewerb ist eine Rosskur zu verordnen!
Das hat er dringend nötig!
Zumindest gilt es die Art der Durchführung wie auch der Darbietung zu überdenken! wenn er tatsächlich fortgeführt wird
Es ist gut, wenn junge Autorinnen die Chance erhalten, ihre Texte vortragen zu können, nur will ich mir bitte als Leserin, die froh ist, dass die eigenen Gören endlich aus dem Haus sind und auf eigenen Beinen stehen, nicht „Kinderspielplatz–Gedöns“ vier Stunden lang anhören. Das mag angehen, wenn eine ganz junge Zielgruppe vor dem Fernseher sitzt, nicht aber der Bildungs und Kultur orientierte Bürger, der sich auf anspruchsvolle[re] Literatur freut.
Wäre ich live im Studio gesessen, hätte ich mich wohl von meinem Sitzplatz im fensterlosen Studio erhoben und wäre bei dem Kaiserwetter an den Wörther See zum Eintauchen ins kühle Nass hinaus gefahren, als mich weiter in Texte zu vertiefen, bei denen man nach jeder Zeile auf den Bachmann`schen Satz und den einen erlösenden Vorlese-Text wartet.
Gerade die heutigen Körper bezogenen Texte machen deutlich, dass eine Autorin oder auch ein Autor, je nachdem auf welcher eigenen körperlichen wie auch Lebens erfahrenen Entwicklungsstufe sie/er im eigenen Mensch
Was junge Menschen noch begeistert, wenn etwa in einem Text zwanzig Mal das Wort "Brüste“ auftaucht, ist einem älteren Leser halt neunzehn Mal zu viel. Da fällt es schwer, die zuckende Hand, die den Ausschaltknopf am TV-Gerät drücken möchte, zurück zu halten.
Während der Körper-Ausstellungen an diesem Tag kommt mir bei meinen Notaten immer wieder Charles Bukowski in den Sinn.
Vielleicht.... weil ich als junger Mensch im Alter der heute beschriebenen Protagonist[inn]en seine Romane las!?
Oder weil er in seinen Büchern, zumindest in seinen Romanen, eine sehr Körper bezogene Sprache einsetzt. Doch anders als alle Autorinnen und der eine Autor an diesem Tag zusammen genommen, be-schreibt er die Körperlichkeit nicht, sondern er zeigt sie. Indem er in seinen Texten sehr direkt und hart den Schmutz der Gosse darstellt! Mit ihrer obszönen Sexualität und Worten, wie sie in den amerikanischen Spelunken der 1960er und 1970er oder in den Hinterhofetagenwohnungen von Manhattan`s Hochhäusern gesprochen wird. Außerdem schreibt da einer, der erlebt hat, worüber und wovon er schreibt. Und das merkt man seiner sehr authentischen Sprache an.
Mich beeindruckt als Leserin - damals wie heute - diese Direktheit, wie Bukowski etwa die Alkoholexzesse seiner Hauptprotagonisten aufzeigt, die sich immer wieder auch in brutaler Gewalt entladen: etwa in den Erzählungen seines Postboten aus "Der Mann mit der Ledertasche", wenn der Alkoholiker krakeelend nach der Sauftour heimkommt und die Freundin nicht spurt. Eine Sprache, die in ihrer Eindrücklichkeit ihres gleichen sucht.
Wo Klagen{fur}[d]e{r} Bachmannpreis-Debütanten elf Seiten brauchen, rotzt Bukowski einem einen kurzen Satz aufs Papier, der im Kopf des Lesers ein wahres Feuerwerk entfacht.
Ein solches vermochte heute keiner der Texte bei mir zu entfachen. Daher waren das alles nur gehobelte Späne.
Ein Textbeispiel - Joachim Meyerhof`s "Ich brauche das Buch" - zumindest ist es wert, wenigstens ein Hölzlein bereit zu legen, vielleicht für den Publikumspreis?
Doch warten wir ab, was uns morgen und übermorgen die verbleibenden neun Schriftsteller-innen zu bieten haben.
Hoffentlich nicht noch mehr Körper-lichkeiten!?
Teresa HzW - 4. Jul, 18:00 - Rubrik [W]ortgeklingel
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