Leben als...
In den Essays von Mark Greif, einem amerikanischen Literaturwissenschaftler, geht es um die Ästhetisierung "unserer" heutigen Leben[sweisen], "man könnte auch sagen: um ihre Dramatisierung, Narrativisierung.
Leben lässt sich heute fassen als Produktion von Erfahrungen, es folgt den Strukturen des Dramas.
Diese Dramen erschaffen in der Gegenwart in erster Linie Helden jenes Typs, den man früher auf Theaterbühnen vorfand, in jüngerer Zeit auf Kinoleinwänden und Fernsehbildschirmen. Sie thematisieren also nicht jene inneren Bewusstseinsformen, die man etwa mit dem Roman in Verbindung bringt oder mit den Figuren, die in einem Gesellschaftsroman die Politik einer Stadt repräsentieren.
Unsere Leben erinnern eher an die Personen antiker Stücke, die man noch ohne Weiteres einfach nach einem ihrer Charaktere benennen konnte - Ödipus oder Iphigenie. Oder besser noch: an ganze Reigen dieser Stücke, in denen eine Heldin, die in der einen Tragödie aufgrund einer bestimmten Wendung des Mythos ihren Tod gefunden hat, in der nächsten quicklebendig wieder auftaucht, um weitere Eigenschaften ihres Charakters zu offenbaren.
Wenn man allein die großen, klassischen Wendepunkte von Lebenserzählungen betrachtet (Kriege, Hochzeiten, schwerwiegende, unumkehrbare Entscheidungen), so sind unsere Leben heute ärmer an "Ereignissen" als jemals zuvor.
Allerdings werden sie von ihrem Anfang bis an ihr Ende von einem Gefühl der Ereignishaftigkeit durchzogen, und das gilt sowohl für unsere unmittelbaren Erfahrungen als auch für die durch die Narrative der Medien vermittelten..."
Ich las diese Sätze heute Morgen im Essayband "Bluescreen" von Mark Greif (auf deutsch erschienen in der Edition Suhrkamp), der sechs große Essays von ihm versammelt.
Im großen und ganzen halte ich die obigen Aussagen dieses amerikanischen Intellektuellen für bemerkens- und nachdenkenswert.
Allerdings braucht es meiner [bescheidenen] Lebenserfahrung nach keine Welt umwälzenden Ereignisse für ein "Ereignis reiches" Leben oder um es in den eigenen Worten zu sagen: für ein reichhaltiges Leben. Auf Kriegs-Erfahrungen kann ich gerne verzichten, denn davon haben wir Deutschen wahrlich genug für ein ganzes Menschheitsleben [angerichtet]!
Entscheidender ist es doch, durch bewusste[re]s Leben zur eigenen wie auch Sinnhaftigkeit anderer Leben beitragen zu können. Dafür braucht es keine großen Ereignisse, da genügen bereits kleine Gesten der Unterstützung, Wertschätzung und Anerkennung des oder der anderen Menschen.
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Leben lässt sich heute fassen als Produktion von Erfahrungen, es folgt den Strukturen des Dramas.
Diese Dramen erschaffen in der Gegenwart in erster Linie Helden jenes Typs, den man früher auf Theaterbühnen vorfand, in jüngerer Zeit auf Kinoleinwänden und Fernsehbildschirmen. Sie thematisieren also nicht jene inneren Bewusstseinsformen, die man etwa mit dem Roman in Verbindung bringt oder mit den Figuren, die in einem Gesellschaftsroman die Politik einer Stadt repräsentieren.
Unsere Leben erinnern eher an die Personen antiker Stücke, die man noch ohne Weiteres einfach nach einem ihrer Charaktere benennen konnte - Ödipus oder Iphigenie. Oder besser noch: an ganze Reigen dieser Stücke, in denen eine Heldin, die in der einen Tragödie aufgrund einer bestimmten Wendung des Mythos ihren Tod gefunden hat, in der nächsten quicklebendig wieder auftaucht, um weitere Eigenschaften ihres Charakters zu offenbaren.
Wenn man allein die großen, klassischen Wendepunkte von Lebenserzählungen betrachtet (Kriege, Hochzeiten, schwerwiegende, unumkehrbare Entscheidungen), so sind unsere Leben heute ärmer an "Ereignissen" als jemals zuvor.
Allerdings werden sie von ihrem Anfang bis an ihr Ende von einem Gefühl der Ereignishaftigkeit durchzogen, und das gilt sowohl für unsere unmittelbaren Erfahrungen als auch für die durch die Narrative der Medien vermittelten..."
Ich las diese Sätze heute Morgen im Essayband "Bluescreen" von Mark Greif (auf deutsch erschienen in der Edition Suhrkamp), der sechs große Essays von ihm versammelt.
Im großen und ganzen halte ich die obigen Aussagen dieses amerikanischen Intellektuellen für bemerkens- und nachdenkenswert.
Allerdings braucht es meiner [bescheidenen] Lebenserfahrung nach keine Welt umwälzenden Ereignisse für ein "Ereignis reiches" Leben oder um es in den eigenen Worten zu sagen: für ein reichhaltiges Leben. Auf Kriegs-Erfahrungen kann ich gerne verzichten, denn davon haben wir Deutschen wahrlich genug für ein ganzes Menschheitsleben [angerichtet]!
Entscheidender ist es doch, durch bewusste[re]s Leben zur eigenen wie auch Sinnhaftigkeit anderer Leben beitragen zu können. Dafür braucht es keine großen Ereignisse, da genügen bereits kleine Gesten der Unterstützung, Wertschätzung und Anerkennung des oder der anderen Menschen.
Teresa HzW - 27. Aug, 11:15 - Rubrik Wiederworte
Der letzte Satz gefällt mir sehr.
*dienermachend*