Bachmann Edelholz für Katja Petrowskaja!?

Vielleicht Esther


Schließlich und zu guter Letzt an diesem Wettbewerbstag tritt eine auf, die vielleicht am Sonntag, das holt, was man beim Kegeln: Alle Neune nennt. Die Autorin, die in die Fußstapfen der Ingeborg Bachmann treten könnte, wenn am morgigen Samstag nicht noch eine oder einer mit einem Text folgt, der ihr das streitig macht!? Ein ganz ergreifender Text!

„Ein genealogischer Text!“ – wie ein Juror sagt, weil er an die [eigene] Familiengeschichte rührt. Ohne weinerlich auf die Tränendrüsen von uns allen zu drücken, weil er die bittere Geschichte einer Erschießung - „Vielleicht Esther“ – und der Deportation von Juden aus Kiew, in der Ukraine, in der dunkelsten Zeit des 20. Jahrhunderts, während der Nazizeit, zeigt.

Die Ukrainerin Katja Petrowskaja, 1970 in Kiew geboren, heute in Berlin lebend, imaginiert die Geschichte einer Ur-Enkelin. Sie spielt mit dieser Imagination, weil sie als Nachgeborene nicht anders kann, als die Geschichte der ermordeten Großmutter zu erfinden, indem sie ihrer eigenen Imagination nachspürt.
„Das ist Fiktion“ sagt denn auch Feßmann. Eine Fiktion, „locker und leicht“ erzählt.

Eine Fiktion, liebe Leser-Kommentator-inn-en,
die ohne den Lärm des Bombenhagels, das peitschende Geräusch der Gewehrschüsse, das Rollen der Panzer, das Brummen der Fliegermotoren und das Heulen der Sirenen auskommt.
Ein Text, der seine Leser[innen] durch den Styx der Unterwelt in die düstersten Kapitel deutscher Weltgeschichte treiben lässt und im Grauen der historischen Geschichte die Poesie findet. In Sätzen wie diesen: „Der Fluss war kalt, der Säugling schrie nicht, es war im Schattenreich und Alle glichen den Schatten, sogar der dicke Säugling sah aus, als wäre er ausgeschnitten aus Papier. Sie badete ihn im Fluss, erzählte meine Mutter, damit er unsterblich wurde, aber die Ferse hatte sie vergessen. Ich erinnere mich daran, wie mich an dieser Stelle die Angst jedes Mal so packte, dass meine Seele in die Fersen rutschte, wie man auf Russisch sagt, wenn man von Furcht ergriffen wird, vielleicht ist es sicherer für die Seele, wenn sie sich in die Fersen zurückzieht und dort bleibt, bis die Gefahr vorbei ist. In diesem Moment konnte ich mich nicht mehr bewegen und kaum noch atmen, ich wusste, dass die Ferse, die Achilles‘ Mutter hielt, etwas Unabwendbares verkörperte, etwas Verhängnisvolles.“

Und so wurde die Geschichte von Achilles zu meiner eigenen Blöße, zu meinem Schwachpunkt, denn meine Mutter hat mich in dieser Geschichte gebadet, im Fluss der Unsterblichkeit, als ob ich so den Schutz der Unsterblichen hätte erhalten können, aber meine Ferse hat sie vergessen, meine Ferse, wo meine Seele sich, geplagt von Angst und in Vorahnung eines Verhängnisses, zusammenrollte, und ich begriff, dass jeder eine Blöße haben muss, die Ferse, die Seele, der Tod, - der einzige Beweis der Unsterblichkeit, eigentlich.“

Oder wie der neue, junge Juror Steiner es zusammenfasste: „Das Spektrum der Geschichte wird hier auf eine bisher einmalige Art aufgemacht, weil man nicht die typischen Zeichen der Apokalypse sieht, hört oder riecht!“

Ich finde: Ein großer literarischer Text!
Der erste und womöglich einzige, der das Edelholz dieser höchsten literarischen Auszeichnung wert ist! Die Autorin und ihr Text hätten es verdient!

Liebe Leser-Kommentator-inn-en, wir werden sehen….

Morgen ist ja auch noch ein Wettbewerbstag. Vier Bewerber lesen noch. Doch sie werden es schwer haben. Verdammt schwer. Die Körbe sind heute sehr hoch gehängt worden!


Katja Petrowskaja, Jahrgang 1970, gebürtige Ukrainerin aus Kiew, in Berlin lebend. Die Autorin wurde von Hildegard Elisabeth Keller zu den TDDL 2013 eingeladen.


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