Bachmann Holz fuer Heinz Helle!?
Wir sind schön!
Schlag Zwölf freue ich mich auf einen Autor aus der Provinz, der hoffentlich die Gegensätzlichkeit, die Widersprüchlichkeit, die auch das Landleben in sich birgt, zum Ausdruck bringt.
O.k., ich gestehe, E r geht mit Vorschusslorbeeren in den Bewerb... auch weil mich sein Videoporträt anspricht.
Ein interessanter Typ, denke ich mir, denn wie findet einer, der zwischen den Polen von Stadt und Land pendelte, zwischen Werbetext und Philosophie steht, zu seiner literarischen Sprache?
"Einen guten Satz macht aus, dass er einen berührt, dass er etwas aussagt.", sagt er in diesem Videoporträt. Verspricht er zu viel?
Sein Text berührt, von Anfang an:
"Wir sind schön. Es geht uns gut. Wir mögen unsere
Körper, den eigenen und den jeweils anderen, andere
finden, wir sind ein schönes Paar. Wir sind glücklich. Wir
sind das, was man glücklich nennt. Wir sind das, was
alle glücklich nennen, die wir kennen. Wir haben, was
alle wollen, tun, was alle tun."
Ein starker Einstieg, weil man spürt, dass es zwischen oder bei den beiden nicht so schön ist!
Ein körperlicher Text,
der nicht in der Nennung oder Auflistung primärer Geschlechtsmerkmale stecken bleibt, wie so viele gestern, der zeigt: "Wir haben Sex. Zunächst mehrmals am Tag, dann mehrmals in der Woche, dann mehrmals am Wochenende, dann einmal pro Woche. Wir finden es beide gut, so versichern wir einander, es wird eben weniger, es gibt viel zu tun, wir haben Stress, und ab und zu möchte man ja auch ein paar Freunde sehen."
Diese fünf Zeilen über Sex sagen mehr aus als alle gestrigen Peniswurzeln und Brüste zusammen genommen. Fünf Zeilen, die das Feuerwerk im Kopf entfachen, das den gestrigen Körper-Texten fehlte: wie in einem Film, wenn man die Schnellvorlauf-Taste drückt und sich im Zeitraffer ein Paarungslauf von zehn Bildsequenzen in fünf Sekunden abspult.
Dabei ist es auch ein musikalisch-rhythmischer Text.
Ein Text wie ein Musikstück komponiert. Kontrapunktivisch: "Wir schreien Deutschland. Sie auch. Wir stoßen unsere dicken braunen Bierflaschen aneinander, so fest es geht, ohne sie zu zerschlagen. Sie auch. Wir recken unsere Fäuste in die Höhe. Sie auch. Wir singen, ihr seid nur ein Punktelieferant. Sie auch. Wir singen, du hast die Haare schön. Sie auch. Wir sehen unsere Männer rennen, wir sehen, wie sie den anderen
zwischen die Beine springen, und wir sehen, wie ein
anderer sich vor Schmerzen auf dem Boden windet, wir
schreien Schwuchtel. Sie nimmt einen Schluck aus der
Flasche. Eigentlich mag sie kein Bier. Und dann sehen
wir, wie die anderen den Ball verlieren, wir brüllen auf,
wie eine Wand erhebt sich unser Gebrüll gegenüber der
Wand mit den flimmernden Bildern, und dann rennen
unsere Männer mit dem Ball weit in das Gebiet der
anderen hinein, dann liegt der Ball wieder in ihrem Netz,
und wir schreien, schlagen, springen und weinen. Sie
auch. Plötzlich ein Pfiff, und Schweden hat verloren.."
Dieser chorische Zwischenruf „Wir singen, SIE AUCH“ zeigt, dass das, was inhaltlich im Text steckt, so typisch ist für diese moderne Lebenswelt. Sie betrifft ein breites „Wir“, dem sich keiner entziehen kann.
SIE AUCH nicht,… nicht wahr!? ;-))
Es ist ein Text wie ein bunter Werbetext.
Für diese neue bunte Welt.
In der wir leben. Die uns eine Freizügigkeit und Reisen an alle Ränder dieser Welt bietet: auf die thailändischen Trauminseln genauso wie an die heimischen Sehnsuchtsorte am Tegernsee oder in die Konsumurbanität der Münchner Leopoldstraße.
Eine reduzierte Sprache, die körperlich ist, die auf einen Zuhörenden einwirkt, der er sich nicht entziehen kann, die einem hinterher greift, selbst wenn man sich aus dem Zimmer entfernt, um das Getränk und die Jacke für die Bergwanderung über leere Weiden hinauf auf den Gipfel zu holen.
Ein heller Text, der seinem Autor alle Ehre macht!
Heinz Helle, Jahrgang 1978, ein Münchner, der in Biel, Bienne, in der Schweiz lebt, von Daniela Strigl zum Wettlesen eingeladen
M e h r Kritik und Details
dann klicken Sie auf die rot markierten Worte
* BACHMANN Späne am Tag 1
* BACHMANN Holz am Tag 2
1855 mal gelesen
Schlag Zwölf freue ich mich auf einen Autor aus der Provinz, der hoffentlich die Gegensätzlichkeit, die Widersprüchlichkeit, die auch das Landleben in sich birgt, zum Ausdruck bringt.
O.k., ich gestehe, E r geht mit Vorschusslorbeeren in den Bewerb... auch weil mich sein Videoporträt anspricht.
Ein interessanter Typ, denke ich mir, denn wie findet einer, der zwischen den Polen von Stadt und Land pendelte, zwischen Werbetext und Philosophie steht, zu seiner literarischen Sprache?
"Einen guten Satz macht aus, dass er einen berührt, dass er etwas aussagt.", sagt er in diesem Videoporträt. Verspricht er zu viel?
Sein Text berührt, von Anfang an:
"Wir sind schön. Es geht uns gut. Wir mögen unsere
Körper, den eigenen und den jeweils anderen, andere
finden, wir sind ein schönes Paar. Wir sind glücklich. Wir
sind das, was man glücklich nennt. Wir sind das, was
alle glücklich nennen, die wir kennen. Wir haben, was
alle wollen, tun, was alle tun."
Ein starker Einstieg, weil man spürt, dass es zwischen oder bei den beiden nicht so schön ist!
Ein körperlicher Text,
der nicht in der Nennung oder Auflistung primärer Geschlechtsmerkmale stecken bleibt, wie so viele gestern, der zeigt: "Wir haben Sex. Zunächst mehrmals am Tag, dann mehrmals in der Woche, dann mehrmals am Wochenende, dann einmal pro Woche. Wir finden es beide gut, so versichern wir einander, es wird eben weniger, es gibt viel zu tun, wir haben Stress, und ab und zu möchte man ja auch ein paar Freunde sehen."
Diese fünf Zeilen über Sex sagen mehr aus als alle gestrigen Peniswurzeln und Brüste zusammen genommen. Fünf Zeilen, die das Feuerwerk im Kopf entfachen, das den gestrigen Körper-Texten fehlte: wie in einem Film, wenn man die Schnellvorlauf-Taste drückt und sich im Zeitraffer ein Paarungslauf von zehn Bildsequenzen in fünf Sekunden abspult.
Dabei ist es auch ein musikalisch-rhythmischer Text.
Ein Text wie ein Musikstück komponiert. Kontrapunktivisch: "Wir schreien Deutschland. Sie auch. Wir stoßen unsere dicken braunen Bierflaschen aneinander, so fest es geht, ohne sie zu zerschlagen. Sie auch. Wir recken unsere Fäuste in die Höhe. Sie auch. Wir singen, ihr seid nur ein Punktelieferant. Sie auch. Wir singen, du hast die Haare schön. Sie auch. Wir sehen unsere Männer rennen, wir sehen, wie sie den anderen
zwischen die Beine springen, und wir sehen, wie ein
anderer sich vor Schmerzen auf dem Boden windet, wir
schreien Schwuchtel. Sie nimmt einen Schluck aus der
Flasche. Eigentlich mag sie kein Bier. Und dann sehen
wir, wie die anderen den Ball verlieren, wir brüllen auf,
wie eine Wand erhebt sich unser Gebrüll gegenüber der
Wand mit den flimmernden Bildern, und dann rennen
unsere Männer mit dem Ball weit in das Gebiet der
anderen hinein, dann liegt der Ball wieder in ihrem Netz,
und wir schreien, schlagen, springen und weinen. Sie
auch. Plötzlich ein Pfiff, und Schweden hat verloren.."
Dieser chorische Zwischenruf „Wir singen, SIE AUCH“ zeigt, dass das, was inhaltlich im Text steckt, so typisch ist für diese moderne Lebenswelt. Sie betrifft ein breites „Wir“, dem sich keiner entziehen kann.
SIE AUCH nicht,… nicht wahr!? ;-))
Es ist ein Text wie ein bunter Werbetext.
Für diese neue bunte Welt.
In der wir leben. Die uns eine Freizügigkeit und Reisen an alle Ränder dieser Welt bietet: auf die thailändischen Trauminseln genauso wie an die heimischen Sehnsuchtsorte am Tegernsee oder in die Konsumurbanität der Münchner Leopoldstraße.
Eine reduzierte Sprache, die körperlich ist, die auf einen Zuhörenden einwirkt, der er sich nicht entziehen kann, die einem hinterher greift, selbst wenn man sich aus dem Zimmer entfernt, um das Getränk und die Jacke für die Bergwanderung über leere Weiden hinauf auf den Gipfel zu holen.
Ein heller Text, der seinem Autor alle Ehre macht!
Heinz Helle, Jahrgang 1978, ein Münchner, der in Biel, Bienne, in der Schweiz lebt, von Daniela Strigl zum Wettlesen eingeladen
M e h r Kritik und Details
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* BACHMANN Späne am Tag 1
* BACHMANN Holz am Tag 2
- Zè do Rock
Heinz Helle
Philip Schönthaler
Katja Petrowskaja
Teresa HzW - 5. Jul, 20:45 - Rubrik [W]ortgeklingel